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Rost

Titel: Rost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Meyer
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Typ
anhören, der gleich kommt.«
    »In Ordnung.«
    »Kennst du den?«
    Isaac hörte eine Schnatterstimme. »Glaub, mein Dad mag diesen Kerl.«
    »G. Gordon Liddy.« Er zuckte die Achseln. »Bin nicht immer mit ihm
einverstanden, aber er ist interessant.«
    Isaac machte sich’s gemütlich, und der Fahrer stellte den Ton lauter.
Plötzlich stellte er ihn wieder leiser.
    »Mir ist klar geworden, was ich meinte«, sagte er. »Für eure Generation
gibt’s kein Geheimnis mehr. Aber zurück zu unserem Programm.« Er drehte wieder
laut.
    Isaac setzte an zu widersprechen, doch es war okay. Der Kleine wird
es schaffen, dachte er. Unmengen von Geheimnissen. Das Universum ist vierzehn
Milliarden Jahre alt, hat aber einen Minimaldurchmesser von einhundertfünfzig
Milliarden Lichtjahren. Quantenmechanik steht gegen Relativitätstheorie. Wird
der Kleine sich wohl neue Regeln schaffen müssen – immun gegen die Gesetze von
Mensch Tier und Frucht, wird er den vierten Weg zum Leben finden. Während sein
Geist sich mit höheren Systemen beschäftigt, wird er die Kunst des Fliegens
erforschen. Die Stratosphäre. Kalt hier oben, wird er finden. Kalt und blau.
Mit Stickstoff – macht den Himmel blau und Pflanzen grün. Ein Baustein. Und wer
träumt am häufigsten vom Fliegen – Männer, die im Rollstuhl sitzen. Ja, die
alten Männer dieser Welt, gefangen in der Feuchtigkeit. Und was den Kleinen
angeht, der wird wie Odysseus wiederkehren. Aus dem langen Exil. Und loyal nur
zu dem König aller Kannibalen.
    »Alles klar bei dir da drüben?«
    »Alles bestens«, sagte Isaac.
    »Du weißt dich zu beschäftigen, was?«
    »Falle Ihnen hoffentlich nicht auf den Wecker.«
    »Nein, ich bin ja froh, dass ich gehalten habe. Hatte meiner Kleinen
fest versprochen, dass ich heimkomme, und so hab ich seit gestern Morgen
höchstens eine Stunde Schlaf gekriegt. Doch als ich tanken war, wurde mir klar,
dass ich mir lieber wen zum Reden suchen sollte, wenn ich nicht im Tiefschlaf
in den Graben fahren will. Und dann warst du da. So gesehen, rettest du mir
gerade irgendwie das Leben.«
    »Muss der Jesus in mir sein.«
    Der Fahrer nickte feierlich. »Jep«, sagte er. »Genau das ist es.«
    ***
    Ein paar Stunden später ließ er Isaac raus, bei der Abfahrt
Dayton. Als er ausstieg, meinte der Fahrer zu ihm: »Du kaufst dir nicht gleich
Drogen, oder, Kumpel?«
    »Habe ich noch nie.«
    »Dann hol dir erstmal was zu essen.« Er gab Isaac fünf Dollar.
    Isaac ging ungefähr anderthalb Kilometer bis zum nächsten Rastplatz
an der 70 und bestellte sich ein Frikadellensandwich.
Anfangs saß er drinnen am Tisch, doch das kam ihm komisch vor, drum ging er
wieder raus und aß es auf dem Bürgersteig. Da war das Hämmern all der
Dieselmotoren und der Geruch davon und Trucks, die ankamen und abfuhren, als
wäre es ein Bahnhof. Isaac befürchtete, er müsste eine Zeitlang warten, aber
zehn Minuten später hielt ein Sattelschlepper Richtung Osten, der
Traktorenteile transportierte. Dessen Fahrer fragte ihn, wo er gewesen sei, und
Isaac sagte nur »Michigan«, darauf meinte der Fahrer, »Bisschen interessanter
musst du’s schon erzählen, wenn du umsonst mitfahren willst«, also beschrieb
ihm Isaac die Güterzugfahrtund dass er jetzt heimwärts wolle, zu seiner
Familie. Der Fahrer freute sich, dran mitzuwirken, und sie fuhren ohne weitere
Gespräche die restliche Strecke.
    Nach dem Dunkelwerden bog der Fahrer südwärts auf die I - 79 ab und ließ ihn ein paar
Kilometer hinter Little Washington raus. Als er eine Weile Richtung Osten
gelaufen war, kletterte er einen Hügel hoch und sah von dort über die dunkle
Straße weg zum Mon. Wie weit noch? Dreißig Kilometer vielleicht. Könntest
trampen, wenn du eine Tankstelle findest. Er saß da, überlegte sich das. Nein.
Du kommst genauso wieder rein, wie du auch rausgegangen bist.
    Was Lee wohl jetzt macht? Früher wusstest du das mal. Und könntest
es noch heute. Die drei Monate dazwischen, als sie schon in Yale war und bevor
Mom starb – denk mal daran. Als alles einen Sinn hatte. Als wir zu viert ins
Carnegie-Museum gingen, zu den Dinosaurierskeletten, und dann zum Tyrannosaurus
aufschauten. Der Alte sagte, »Ich will mir nichts angucken, das mich zerbeißen
könnte. Ich bin froh, dass die schon ausgestorben sind.« Aber selbst er konnte
nicht anders, musste das Vieh lange anstarren. »Stell dir mal vor, du wärst der
Kerl, der dieses Ding gefunden hat«, sagte er. »Ich mein, stell dir vor, du
wärst er, noch bevor er

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