Rot Weiß Tot
geteilt.
»Ich brauche noch ein Weilchen«, sagte Albin.
»Soll ich ein paar von deinen übernehmen? Mir ist ohnedies langweilig.«
»Danke. Ich schaffe das schon.«
»Vogel hat schon wieder nach dir gefragt.«
»Er kann mich mal.«
Daniel warf ihm einen Seitenblick zu. Er schien froh zu sein, dass nicht er es war, der sich wegen eines Mordfalls mit dem Ressortleiter, Ursi Plank und wohl auch noch mit dem Herausgeber anlegte.
»Hör zu«, sagte Albin. »Ich muss noch zu einem Termin. Danach fange ich an. Wenn wir heute nicht mehr fertig werden, dann eben morgen. Das ist früh genug.«
Daniel warf einen Blick zu Vogels Bürotür. »Ich nehme dir lieber ein paar ab.«
»Das wirst du nicht tun«, befahl Albin etwas zu scharf.
»Deshalb brauchst du dich nicht gleich aufzuregen«, gab Daniel zurück. »Was ist in letzter Zeit eigentlich los mit dir?«
»Nichts, entschuldige.«
»Es kann der Karriere auch nicht schaden, an dem Heidentor-Fall dranzubleiben«, lenkte Daniel ein. »Alle wissen inzwischen, dass du mit Ursi Plank um die Wette recherchierst.«
»Woher?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Daniel mit Unschuldsmiene.
»Ich gehe dann«, sagte Albin.
»Vielleicht hast du Glück und es tauchen noch ein paar von diesen Römerleichen auf.«
Albin erinnerte sich an seine weichen Knie angesichts von Olga Dacias Grab. »Hoffentlich nicht«, sagte er.
Daniel warf ihm noch einen Seitenblick zu.
Albin begriff, dass es die falsche Antwort gewesen war. Vielleicht verstieg er sich tatsächlich in etwas und merkte es nicht. Echte Journalisten hofften nie darauf, dass eine Geschichte keine wurde. Es half nicht einmal, dass er sich dessen bewusst war.
Frank Gregoritschs Ex-Partner Leo Zimmermann saß in einer Fensternische des Bräunerhofes. Seine stumpfen Augen lagen in tiefen Höhlen, sein aschgraues Haar war ebenfalls glanzlos und sein Dreitagebart wirkte ungepflegt statt männlich. »Ich weiß gar nicht, worüber wir sprechen sollen«, sagte Zimmermann, als sich Albin setzte.
Albin hatte noch nie einen Menschen mit weniger Ausstrahlung gesehen. Schon bei Zimmermanns bloßem Anblick musste er ein Gähnen unterdrücken. Bei einem Gespräch mit diesem Mann über die wirtschaftliche Bedeutung von Ferienlagern würde er nach dreißig Minuten tot umfallen. »Am meisten interessiert mich Ronald Markovics, den Sie angeblich kannten«, sagte er. »Wir können dann auch über die Ferienlager sprechen.«
»Sie werden kaum mitten im Herbst über ein Sommerlager schreiben«, zeigte Zimmermann Einsicht. »Was wollen Sie über Markovics wissen?«
»Wer hat ihn umgebracht?«
»Gehen Sie immer so direkt vor?«
»Ich gehe fast immer ohne Plan vor. Diesmal ist diese Direktheit dabei herausgekommen. Das haben wohl Sie ausgelöst.«
»Ich mag Offenheit.«
An Charisma legte er auch damit nicht zu.
»Auf den ersten Mord konnte ich mir keinen Reim machen«, erklärte Zimmermann. »Ich habe auch nicht darüber nachgedacht, Markovics war zu weit weg von mir. Bei dem zweiten musste ich an ein Romanmanuskript aus meiner Zeit als Lektor denken. Sie wissen ja, dass ich Gregoritschs Vorgänger in seinem Job war.«
»Ich habe davon gehört.«
»In diesem Buch ging es ebenfalls um eine scheinbar sinnlose Serie von Gewaltverbrechen.«
Albin bestellte eine Kanne schwarzen Tee und betrachtete sein Gegenüber eingehender. Fünfzehn Jahre jünger hätte Zimmermann wie ein verkrachter Student ausgesehen. Sein weißes Baumwollhemd mit dem wei chen Kragen war schlecht gebügelt und die Farbe seines Sakkos nicht definierbar.
»Wurde der Roman ein Erfolg?«, fragte Albin. »Wie hieß er?«
»Der Fronleichnamsmörder. Der Stil war erbärmlich und am Ende gab es keine nachvollziehbare Auflösung. An den Autor erinnere ich mich nicht mehr.«
»Der Titel gefällt mir.«
»Ein Mesner entdeckt an einem Holzkreuz seiner Kirche eine menschliche Leiche. Es folgen ähnliche Morde, die in ihrer grausamen Inszenierung fast künstlerisch wertvoll sind. Ein geschickt zur Holzstatue geschminktes Opfer wird bei einer Fronleichnamsprozession durch ein halbes Tiroler Tal getragen, ehe die Bauern die Tragödie entdecken.«
Albin presste den Teebeutel aus, vergewisserte sich, dass Zimmermann Nichtraucher war, und legte den nassen Klumpen in den Aschenbecher. »Wann ist es erschienen?«
»Nie. Dass der Autor nicht schreiben konnte, wäre noch kein Problem gewesen. So etwas lässt sich richten. Doch dem Ganzen fehlte der Sinn. Der Mörder handelte aus nicht
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