Rot Weiß Tot
es kalt über den Rücken. Der Mörder hatte Kontakt mit ihm aufgenommen. Wollte er unbedingt so groß wie möglich in der Zeitung stehen? Wenn ja, warum? Und war es wirklich Stern?
Er rief May an. Der war wie immer in Eile. Albin ließ sich nicht abschütteln. »Ich habe nichts gegen Unterstützung bei der Heidentor-Recherche«, sagte er. »Ich würde mich bloß weniger blamieren, wenn ich darüber informiert würde.«
Wie laut durfte ein Ex-Sträfling mit wackeligem Stuhl unter dem Hintern einen etablierten Ressortchef kritisieren?
»Ursi Plank hat ein bisschen herumgefragt«, sagte May ungewohnt kleinlaut. »Ist das ein Problem für dich? Ich hoffe nicht.«
Zuständigkeiten waren wie Besitz, dachte Albin. Hatte man sie, führten sie mitten hinein in unerfreuliche Kämpfe. Konnte er mit dieser Wut im Bauch noch von sich behaupten, wie der Wind zu sein?
»Es ist mir egal«, sagte er, obwohl das nicht stimmte.
»Es gibt keinen Grund zur Eifersucht«, sagte May. »Niemand will dir deine Geschichte wegnehmen.«
Der Vorwurf der Eifersucht machte Albin noch wütender. Im Gefängnis hatte er gelernt, den ersten Impuls verpuffen zu lassen. Dahinter entstand die aus der Erfahrung geborene Reaktion. In diesem Fall war es Schweigen. Schweigen war meistens gut.
»Wer wurde gestern verhaftet?«, fragte May. »Anscheinend macht die Polizei ein Geheimnis daraus.«
»Ich sage es dir rechtzeitig für die nächste Ausgabe.«
»Weißt du es nun oder weißt du es nicht?«
Albin hatte Bergmann vorläufiges Stillschweigen zugesagt. »Ich erfahre es wahrscheinlich heute Nachmittag.«
»Das klingt kryptisch.« May wirkte jetzt beleidigt, als spürte er Albins Misstrauen. »Am Mittwoch entscheiden wir, was wir aus der Geschichte machen.«
Albin warf den Hörer auf die Gabel.
Daniel hatte zugehört. »Wen wollten sie dir vor die Nase setzen?«, fragte er.
»Ursi Plank.«
»Alles klar. Dann vergisst du die Sache besser.«
»Ich habe auch schon von ihr gehört.«
»Das meine ich nicht. Im offenen Zweikampf schlägst du sie jederzeit. Sie ist nicht die Hellste. Aber sie ist die Freundin des Herausgebers.«
Albin kannte den Herausgeber nur vom Sehen. Er hieß Nikolaus Frey, war fast so rund wie hoch, trug immer schwarze Rollkragenpullis und sah trotz seiner erst vierunddreißig Jahre wie mindestens fünfzig aus. »Es ist mir egal, wessen Freundin sie ist«, sagte er.
»Wie du meinst. Manche Leute versauen sich ihr Leben ja gerne. Übrigens sind der Herausgeber und Ursi Plank bestens mit unserem Ressortleiter befreundet. Die gehen jedes Jahr eine Woche miteinander segeln. Wer weiß, was sie sonst noch zu dritt treiben.«
Damian Bergmann beschwichtigte eine aufgeregte Frau, deren weiße Turmfrisur wie ein gewaltiger Kokon aus Spinnweben aussah. Offenbar war der Chefinspektor ihrem Pekinesen auf die Zehen getreten. Es gab wie immer mindestens ein halbes Dutzend der Hündchen im Domcafé. »Was für ein Tag«, sagte der Polizist zu Albin, als die Situation wieder unter Kontrolle war. »Haben Sie wenigstens gute Nachrichten für mich?«
»Kommt darauf an, was Sie darunter verstehen.«
»Haben Sie die Nachricht noch im Speicher?«
»Ich habe sie gelöscht. Ich dachte, sie wäre von Ihnen.«
»Großartig.«
Die Frau mit dem misshandelten Pekinesen rauschte mit einem letzten bösen Blick auf den Chefinspektor ab. Der schickte ihr gemurmelte Verwünschungen hinterher. An Albin gewandt fuhr er fort: »Erinnern Sie sich wenigstens noch an den genauen Inhalt?«
»Ich sollte mit einer Kamera zum Heidentor kommen. Sinngemäß.«
An seinem Tee nippend legte Bergmann die Stirn in Falten. »Wir kennen immerhin den Zeitpunkt und den Empfänger. Das genügt, um die IP-Adresse des Absenders zu identifizieren.«
Albin bemerkte, dass Bergmanns Kragenknopf abgerissen war. Einer wie der Chefinspektor ließ sich die Knöpfe wohl von seiner Frau annähen. Vielleicht hatte er gerade Streit daheim. »Sie haben das sicher schon veranlasst«, sagte Albin.
»Ich verspreche mir nichts davon. Kein Mensch ist so dumm, sich über ein Mobiltelefon zu verraten. Es kann ein gestohlenes Gerät oder ein öffentlicher Computer gewesen sein. Ich frage mich etwas anderes: Woher hatte der Täter Ihre Handynummer?«
»Die steht auf meiner Visitenkarte. Ich lebe davon, dass mich Menschen anrufen.«
»Warum wollte er ausgerechnet Sie dabeihaben?«
»Mit meiner Vergangenheit hat das jedenfalls nichts zu tun.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Es wird sich
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