Rot wie das Meer
Suche nach Corr vertan hat. Es gibt noch fünf weitere Capaill-Uisce- Boxen . Er hätte inzwischen Zeit gehabt, in jeder von ihnen nachzusehen, falls er bemerkt hat, dass Edana das falsche Pferd war.
Wieder hektische Geräusche.
Sie kommen aus einer der sieben Boxen.
Jetzt renne ich.
Noch während ich um die Ecke bei der Tür schlittere, schlage ich auf den Lichtschalter. Wenn er weiß, dass ich hier bin, lässt er vielleicht von ihm ab.
»Mutt!«, schreie ich. Jetzt, im Licht, sehe ich das Blut auf dem Boden, die scharlachrote Kante eines Schuhabdrucks. Ich laufe weiter, folge den Spuren, aber ich bleibe auf der Hut. »Jetzt bist du zu weit gegangen! Mutt!«
Meine Stimme hallt von den hohen Deckenbogen des Stalls wider; niemand antwortet. Vielleicht ist er schon weg.
Dann schreit Corr.
Ich renne, wie ich noch nie in meinem Leben gerannt bin. In meinem Kopf das Bild von Edana, wie sie, den Kopf in einem unnatürlichen Winkel zur Decke gerichtet, an der Wand lehnt, zum Tode verurteilt, ohne dass sie es weiß.
Wenn er Corr angerührt hat, bringe ich ihn um.
Ich stürme um die nächste Ecke. Die Tür zu Corrs Box steht offen. Und knapp dahinter Mutt Malvern, in der einen Hand eine grässliche
Klinge und in der anderen einen dreizackigen Speer, wie man ihn für die Jagd nach Fischen oder Vögeln benutzt. Die eisernen Spitzen des Speers bohren sich in Corrs Schulter und zwingen ihn an die Wand. Seine Haut zuckt und erschaudert unter dem Metall. Mutt Malvern hat seinen Plan offenbar gut durchdacht.
»Bleib weg von ihm«, zische ich. »Jeder Tropfen Blut von ihm wird dich zehn von deinem kosten.«
»Sean Kendrick«, sagt Mutt. »Wie hinterhältig von dir, einfach die Boxen zu tauschen.«
Ein tiefes Grollen dringt aus Corrs Kehle, ein Laut, den wir mehr in unseren Füßen spüren, als ihn wirklich zu hören. Aber er kann sich nicht rühren hinter Mutts Speer, dessen eiserne Spitze sich gleich dreifach in sein Fleisch presst.
»Wenn du nur einen Funken Ahnung von den Pferden in diesem Stall hättest, wäre dir der Unterschied zwischen ihnen aufgefallen, sogar im Dunkeln.«
Mutt blickt mich lange genug an, um zu sehen, dass ich näher gekommen bin. Er deutet mit dem Kinn auf den Speer. »Bleib, wo du bist, du Pferdeschinder.«
Langsam wische ich mir die blutige Hand an meiner Jacke ab und ziehe mein Springmesser aus der Tasche. Ich halte es so, dass er es sieht.
Mutt wirft einen verächtlichen Blick darauf. »Und du glaubst, mit dem winzigen Ding kannst du mich aufhalten?«
Die Klinge schnellt mit einem hörbaren Schnappen aus dem Griff. Es haben bereits größere Geschöpfe als Mutt unter dieser schlanken Klinge ihr Leben gelassen.
»Ich glaube nicht, dass ich dich damit aufhalten kann«, erwidere ich. »Ich glaube, dass du meinem Pferd etwas antun wirst, und wenn du dann aus der Box kommst, werde ich dir damit das Herz herausschneiden und es dir in die Hand drücken.«
Mir ist übel bis in die Fingerspitzen. Ich kann Corr nicht ansehen oder ich verliere die Beherrschung.
Mutt höhnt: »Ich soll dir abnehmen, dass du mir irgendwas tun könntest, während ich diese beiden hier in der Hand habe?« Aber er nimmt es mir ab. Das sehe ich in seinen Augen.
»Was willst du dir hiermit beweisen?«, entgegne ich. »Dass du der bessere Reiter von uns bist? Dass die Pferde dich lieber mögen als mich? Willst du dir die Wertschätzung deines Vaters vielleicht aus der Flanke jedes Capaill Uisce auf dieser Insel schneiden?«
»Nein«, erwidert Mutt. »Nur bei diesem einen.«
»Und du meinst, das war es dann?«, frage ich. »Was kommt als Nächstes?«
»Gar nichts«, knurrt Mutt. »Dieses Vieh ist das Einzige, woran dir etwas liegt.«
Aber er blickt mir ins Gesicht, er ist unsicher. Vielleicht weil es nicht Teil seines Plans war, dass ich dabei zusehe. Ich sollte erst morgen früh in den Stall kommen und Corr so finden, wie ich Edana gefunden habe. Vielleicht aber auch, weil er, noch während er mich ansieht, schon über eine bessere Möglichkeit nachsinnt, wie er mir schaden kann.
Mir muss doch irgendetwas einfallen, was Mutt mehr Genugtuung verschaffen würde, als Corr zum Krüppel zu machen. Es muss etwas geben. Ich denke an sein verzerrtes Gesicht bei der Auktion und sage: »Wenn du deinem Vater wirklich was beweisen willst, dann gewinne gegen uns. Besiege uns am Strand.«
Seine Miene verändert sich. Die teuflische Stute scheint tatsächlich seinen Ehrgeiz geweckt zu haben. Mutt blickt noch einmal mich an
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