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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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die feinen Krümel wieder zu einem kleineren, unförmigen Gebilde zusammenzudrücken.
    Das Skorpio-Fest findet jedes Jahr, eine Woche nachdem die ersten Pferde aus dem Meer aufgetaucht sind, statt. Ich bin erst ein einziges Mal dort gewesen und da sind wir nicht bis zur Parade geblieben, die der Höhepunkt des Abends ist, weil dann die Reiter ihre offiziellen Pferde für das Rennen bekannt geben und die Wetteinsätze in die Höhe schnellen.
    Als ich daran denke, bildet sich in meinem Magen ein kleiner nervöser Knoten.
    »Ja, bist du dabei?« Dory Mauds Stimme dringt in den Raum. Sie steht in der Tür, eine Augenbraue hochgezogen. Sie trägt ein Kleid, das aussieht, als hätte sie es jemandem gestohlen. Es hat Spitzenärmel und Dory Mauds Arme sind nicht für Spitzenärmel gemacht.
    Ich sehe schlecht gelaunt zu ihr auf. »Hast du vielleicht vor, es mir auszureden?«
    »Die Parade oder das Rennen?« Dory Maud zieht den dritten Stuhl unter dem Tisch hervor und setzt sich. »Ich kann nur einfach nicht begreifen«, seufzt sie dann, »warum ein kluges und patentes Mädchen wie du, Puck, so wild darauf ist, wie ein Dummkopf auszusehen und sich obendrein in Lebensgefahr zu begeben.«
    Finn lächelt seinen Keks an.
    »Ich habe meine Gründe«, fauche ich. »Und jetzt sag du mir nicht
    auch noch, wie enttäuscht meine Eltern von mir wären. Das hab ich schon gehört. Ich hab das alles schon gehört.«
    »Ist sie schon das ganze Wochenende so aufbrausend?«, fragt Dory Maud Finn, der nickt. An mich gewandt sagt sie dann: »Euer Vater wäre sicher nicht einverstanden gewesen, aber eure Mutter – die hätte nicht viel dagegen sagen können. Sie war früher selbst ein richtiger Teufelsbraten und das Einzige, was sie nicht gemacht hat auf dieser Insel, war, das Rennen zu reiten.«
    »Wirklich?«, frage ich, in der Hoffnung auf mehr Einzelheiten.
    »Wahrscheinlich«, entgegnet Dory Maud. »Finn, was isst du denn da? Das sieht ja aus wie Katzenfutter.«
    »Hab ich von zu Hause mitgebracht.« Finn seufzt schwer. »Bei Pals-son haben sie gerade frische Zimtschnecken.«
    »Oh, ja.« Dory Maud beginnt etwas auf einen Zettel zu kritzeln. Ihre Handschrift ist so krakelig, dass ich mich frage, ob sie sie wohl selbst lesen kann. »Das können selbst die Engel im Himmel riechen.«
    Finn macht ein sehnsüchtiges Gesicht.
    Ich bekomme ein schlechtes Gewissen wegen der Ladung Heu und Futter, die ich heute gekauft habe. Ich bin nicht sicher, ob das Geld darin besser investiert war als in Zimtschnecken.
    »Könnte ich vielleicht einen Vorschuss auf die Teekannen bekommen, Dory Maud?«, frage ich. Ich schiebe eine signierte und nummerierte Teekanne zu ihr hinüber, damit sie sieht, wie fleißig ich war. »Das Pferdefutter ist so teuer.«
    »Ich bin doch keine Bank. Na schön, aber nur wenn du mir Freitagnachmittag hilfst, den Stand für das Fest aufzubauen.«
    »Danke«, sage ich, ohne besonders viel Dankbarkeit zu verspüren.
    Nach einer Weile sagt Finn: »Ich verstehe nicht, warum du nicht einfach Dove reitest.«
    »Finn.«
    »Na, aber das hast du doch immer gesagt.«
    »Ich hätte nur gern wenigstens eine Chance, das Geld zu gewinnen«, entgegne ich. »Ich dachte, es könnte vielleicht ganz hilfreich
    sein, bei einem Rennen für Wasserpferde auch ein Wasserpferd zu reiten.«
    »Mmm«, brummt Dory Maud skeptisch.
    »Genau«, sagt Finn. »Woher willst du denn wissen, dass sie wirklich schneller sind?«
    »Ach, komm.«
    »Na ja, du hast mir schließlich selbst erzählt, dass sie leicht von der Bahn abkommen. Ich kapiere einfach nicht, wie du plötzlich deine Meinung ändern kannst, nur weil dir irgendein Experte was erzählt hat.«
    Wieder spüre ich, wie meine Wangen warm werden. »Er ist nicht irgendein Experte. Und er hat mir gar nichts erzählt. Ich will es mir doch bloß ansehen.«
    Finn drückt seinen Daumen in das Häufchen Krümel, so fest, dass sich der Nagel weiß verfärbt. »Du hast gesagt, du würdest aus Überzeugung keins von ihnen reiten. Wegen Mum und Dad.«
    Seine Stimme ist ruhig, weil Dory Maud hier ist und weil Finn eben Finn ist, aber ich merke ihm an, wie aufgebracht er ist.
    »Mit Überzeugungen allein kann man nur leider keine Rechnungen bezahlen.«
    »Es ist ja wohl auch kaum eine Überzeugung, wenn du es dir so schnell anders überlegen kannst, als wäre ... Von einem Tag auf den anderen. Als wäre ...« Aber ihm scheint kein passender Vergleich einzufallen, denn er steht auf und stürmt an Dory Mauds Stuhl vorbei aus

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