Rot wie die Liebe
Das ist mein Geschenk. Sagt es den anderen.«
Cian kam sich vor wie in einem Theaterstück. Der Prachtsaal war die Bühne, geschmückt mit Fahnen und Blumen, erleuchtet von Kerzen und dem Feuer im Kamin.
Die Anwesenden waren prächtig gekleidet, und er erblickte sogar einige Männer und Frauen in den Schuhen mit den langen, nach oben gebogenen Spitzen, die zu seinen Lebzeiten modern gewesen waren.
Selbst peinliche Modestile kamen also in allen Welten vor, dachte er.
Die langen Tische bogen sich unter Speisen und Getränken, und in der Ecke sorgte ein Harfenspieler für musikalische Untermalung. Die Gespräche, die er mitbekam, drehten sich um Mode, Politik, Klatsch und Tratsch, Flirts und Finanzen.
Nicht viel anders als in seinem Nachtclub in New York, dachte er. Natürlich hatten die Frauen dort weniger an, und die Musik war lauter. Aber im Grunde hatte sich im Lauf der Jahrhunderte nicht allzu viel geändert. Die Leute trafen immer noch gerne bei Musik, Essen und Trinken zusammen.
Wieder dachte er an seinen Club und fragte sich, ob er ihn vermisste. Der Lärm, das Gedränge, das nächtliche Treiben. Nein, stellte er fest, all das fehlte ihm überhaupt nicht.
Höchstwahrscheinlich hätte es ihn in absehbarer Zeit ohnehin gelangweilt, und er hätte etwas Neues in Angriff genommen. Und so war er eben durch die Zeitreise, die Hoyt mit ihm unternommen hatte, wieder bei seinen Anfängen gelandet.
Ohne Hoyt und seine Mission von den Göttern jedoch hätte er seinen Namen und seinen Aufenthaltsort ändern und seinen Besitz transferieren müssen. Das war kompliziert und zeitaufwändig, allerdings auch interessant. Cian hatte mehr als hundert Namen und hundert Wohnsitze, aber er fand es immer noch unterhaltsam, etwas Neues zu schaffen.
Wohin wäre er dann wohl gegangen? Nach Sydney vielleicht oder nach Rio.
Möglicherweise auch nach Rom oder Helsinki. Er hätte praktisch jeden Ort auf der Welt wählen können. Es gab nur wenige Orte, an denen er noch nicht gewesen war.
In seiner Welt zumindest. Mit Geall war es etwas anderes. In dieser Kultur und dieser Mode hatte er schon einmal gelebt, und er hatte eigentlich keine Lust, sich zu wiederholen. Seine Familie war ebenfalls von Adel gewesen, und solche Feste hatte er zur Genüge miterlebt.
Alles in allem wären ihm jetzt ein Cognac und ein gutes Buch wesentlich lieber gewesen.
Er hatte nicht vor, lange zu bleiben, und war nur gekommen, weil er wusste, dass sonst jemand zu ihm geschickt worden wäre. Und Hoyt hätte ihm am nächsten Tag bestimmt den Kopf gewaschen, wenn er nicht erschienen wäre.
Da war es doch einfacher, kurz aufzutauchen, der neuen Königin zuzuprosten und sich unbemerkt wieder zu verdrücken.
Er hatte sich geweigert, die höfische Kleidung anzulegen, die auf sein Zimmer gebracht worden war. Er mochte sich hier ja im Mittelalter befinden, aber er wollte sich nicht mehr so kleiden.
Also trug er eine schwarze Hose und einen schwarzen Pullover. Anzug und Krawatte hatte er für diese Reise nicht eingepackt.
Er lächelte mit einer gewissen Herzlichkeit, als Glenna in einer smaragdgrünen Robe auf ihn zukam. Das Kleid war sehr elegant und festlich und betonte mit seinem tiefen Ausschnitt ihre hübschen Brüste.
»Na, das ist ein Anblick, den ich jeder Göttin vorziehe.«
»Ich komme mir beinahe vor wie eine.« Glenna breitete die Arme aus, um die weiten Ärmel zu präsentieren. »Es ist aber schwer, der Stoff wiegt mindestens zehn Pfund.
Ich sehe, du hast dich für ein leichteres Ensemble entschieden.«
»Ich glaube, ich würde mir eher selbst einen Pflock ins Herz rammen, bevor ich mich noch einmal in so einen Aufzug quäle.«
Glenna lachte. »Ich verstehe dich ja, aber ich muss sagen, mir gefällt es, Hoyt so aufgeputzt zu sehen. Für mich – vielleicht ja auch für dich nach so langer Zeit – ist es wie ein Kostümball. Moira hat für den Hauszauberer königliches Schwarz und Gold gewählt. Es steht ihm mindestens genauso gut wie dir dein moderneres Outfit. Aber der ganze Tag kommt mir vor wie ein sehr seltsamer Traum.«
»Ich habe eben auch gedacht, es hat etwas von einer absurden Theateraufführung.«
»Ja, so ähnlich. Auf jeden Fall ist das Festmahl heute Abend eine kurze, bunte Verschnaufpause. Wir haben heute ein wenig gekundschaftet. Hoyt und ich magisch, Larkin und Blair von der Luft aus. Wir berichten dir alles, wenn …«
Sie wurde von Fanfarenklängen unterbrochen.
Moira betrat den Saal, die Schleppe ihres Gewandes floss
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