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Rot wie die Liebe

Rot wie die Liebe

Titel: Rot wie die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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es als Mensch wohl empfinden, fragte er sich. Ruhmreiche Tage oder Albträume? Keines von beiden, dachte er dann, er war eben kein Mensch, und er hatte keine Zeit, sich mit Vergangenem aufzuhalten.
    Wenn es Lilith gelänge, seinem Dasein ein Ende zu setzen, nun gut. Wahrer Tod war eine Erfahrung, die er bisher noch nicht gemacht hatte. Das wäre möglicherweise interessant.
    Und weil er hörte, was anderen entging, vernahm er die Schritte auf der Steintreppe.
    Moiras Schritte, denn er kannte ihren Gang so gut wie ihren Duft.
    Fast wäre er in der Dunkelheit verschwunden, aber dann verfluchte er sich wegen seiner Feigheit. Sie war doch nur eine Frau, nur ein Mensch. Mehr würde sie nie für ihn sein.
    Als sie herauskam, hörte er, wie sie einen langen, tiefen Seufzer ausstieß, als ob sie gerade ein ungeheures Gewicht abgelegt hätte. Sie trat an die Brüstung, warf den Kopf zurück, schloss die Augen und atmete tief durch.
    Ihr Gesicht war von der Hitze des Kaminfeuers und der Anstrengung des Tanzens gerötet, aber er sah auch die tiefen Schatten der Müdigkeit unter ihren Augen.
    Jemand hatte ihre langen Haare zu dünnen, mit Goldbändern durchwirkten Zöpfen geflochten.
    Er sah ihr an, wie sie plötzlich spürte, dass sie nicht allein war. Sie reckte die Schultern, und ihre Hand glitt in die Falten ihres Gewands.
    »Wenn du dort einen Pflock hast, wäre es mir lieber, du würdest damit nicht auf mich zielen«, sagte Cian.
    Ihre Hand sank herunter, und sie drehte sich um. »Ich habe dich nicht gesehen. Ich wollte etwas frische Luft schnappen. Es ist so warm drinnen, und ich habe zu viel getrunken.«
    »Es liegt wohl eher daran, dass du so wenig gegessen hast. Ich lasse dich in der frischen Luft alleine.«
    »Ach, nein, bleib doch. Ich will ja nur einen Moment hier sein, dann kannst du die ganze Luft wieder für dich haben.« Sie legte den Kopf schräg und blickte ihn an.
    »Kommst du eigentlich hier heraus, um nachzudenken? Ich bin mir nicht sicher, ob tiefe Gedanken eher Raum brauchen oder sich besser in geschlossenen Räumen denken lassen.«
    Sie schwankte ein wenig und lachte, als er sie am Arm festhielt, sie jedoch gleich wieder losließ.
    »Du achtest so sehr darauf, mich nicht anzufassen«, sagte sie. »Es sei denn, du rettest mir gerade das Leben. Oder gehst im Training auf mich los. Ich finde das interessant. Und du?«
    »Ich nicht.«
    »Nur das eine Mal«, fuhr sie fort, als hätte er gar nichts gesagt, und trat einen Schritt auf ihn zu. »Dieses eine Mal hast du mich richtig angefasst. Du hast mir die Hände auf die Schultern gelegt und deinen Mund auf meinen gesenkt. Darüber habe ich oft nachgedacht.«
    Er wäre beinahe einen Schritt zurückgewichen, was ihm schrecklich peinlich war.
    »Ich wollte dir damit eine Lektion erteilen.«
    »Ich liebe Lektionen. Willst du mir nicht noch eine erteilen?«
    »Der Wein macht dich albern.« Er ärgerte sich über den steifen, aufgeblasenen Tonfall seiner eigenen Stimme. »Du solltest hineingehen und dich von deinen Hofdamen zu Bett bringen lassen.«
    »Ja, er macht mich albern. Morgen wird es mir leid tun, aber das ist erst morgen, oder? Oh, was für ein Tag heute war!« Sie drehte sich langsam um die eigene Achse, sodass ihr weiter Rock schwang. »Bin ich erst heute Früh zum Stein gegangen? Ist es tatsächlich erst heute Früh gewesen? Ich habe das Gefühl, als hätte ich den Stein und das Schwert den ganzen Tag mit mir herumgeschleppt, aber jetzt lege ich sie weg. Bis morgen lege ich sie jetzt beiseite. Ich habe viel zu viel getrunken.«
    Sie trat noch dichter an ihn heran, aber sein Stolz ließ nicht zu, dass er zurückwich.
    »Ich hatte gehofft, dass du heute Abend mit mir tanzt. Das hatte ich gehofft, und ich habe mich gefragt, wie es wohl wäre, dich zu berühren, wenn ich nicht gerade mit dir kämpfe.«
    »Ich war nicht in der Stimmung zum Tanzen.«
    »Ja, du hast ja auch so viele unterschiedliche Stimmungen.« Aufmerksam musterte sie ihn, als ob er ein Buch wäre, in dem sie lesen musste. »Und ich natürlich auch. Ich war ärgerlich, als du mich das erste Mal geküsst hast. Und ein bisschen Angst hatte ich auch. Aber jetzt bin ich weder ärgerlich noch ängstlich. Du aber schon, glaube ich.«
    »Mach dich nicht lächerlich.«
    »Dann beweis es mir.« Sie hob ihm das Gesicht entgegen. »Erteile mir eine Lektion.«
    Dafür konnte er wohl kaum verdammt werden. Außerdem war er ja schon viel früher verdammt worden. Er war nicht sanft, er war nicht zärtlich.

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