Rot wie die Liebe
fast nackt.« Sie ergriff sein Hemd und eilte ihm nach auf den Balkon. »Zieh dir wenigstens das hier über. Die Kälte mag dir ja nichts ausmachen, aber ich möchte nicht, dass meine Wachen uns hier so sehen. Es ist nicht schicklich.«
»Da kommt ein Reiter.«
»Was? Wo?«
»Von Osten.«
Sie blickte nach Osten, sah aber nichts. Allerdings zweifelte sie nicht an Cians Worten. »Ein einzelner Reiter?«
»Zwei, aber der zweite wird vom ersten geführt. Sie kommen im Galopp auf das Schloss zu.«
Sie trat zurück ins Schlafzimmer und begann sich anzuziehen. »Die Wachen haben Anweisung, niemanden hereinzulassen. Ich gehe hinunter. Es könnten Nachzügler sein. Wenn das der Fall ist, können wir sie nicht ohne Schutz au ßerhalb der Schlossmauern lassen.«
»Lass niemanden herein«, befahl Cian und schlüpfte in seine Jeans. »Auch nicht, wenn du sie kennst.«
»Nein, und die Wachen auch nicht.« Sie verspürte einen leisen Stich des Bedauerns, als sie sich ihre Krone aufsetzte und wieder Königin wurde. Und als Königin hob sie ihr Schwert.
»Es sind bestimmt nur Nachzügler, die etwas zu essen und eine Unterkunft brauchen«, sagte sie.
»Und wenn nicht?«
»Dann sind sie weit geritten, um zu sterben.«
Vom Wachhaus oben auf der Mauer konnte sie die Umrisse der Reiter erkennen.
Wie Cian gesagt hatte, waren es zwei, wobei der Erste das Pferd des Zweiten führte.
Sie trugen keine Umhänge, obwohl die Luft kühl war und die ersten Anzeichen von Frost zu spüren waren.
Moira blickte zu Niall, der geweckt worden war, als die Wachen die Reiter bemerkt hatten. »Ich möchte einen Bogen.«
Niall winkte einen seiner Männer zu sich heran und nahm ihm Bogen und Köcher ab. »Es macht für den Feind keinen Sinn, direkt auf uns zuzureiten. Zwei gegen uns alle? Und sie können ja sowieso nicht durch das Tor, wenn wir sie nicht hineinlassen.«
»Vielleicht sind es gar keine Vampire. Aber das Tor wird erst geöffnet, wenn wir es mit Sicherheit wissen. Zwei Männer«, murmelte sie, als die beiden näher kamen. »Der zweite sieht verletzt aus.«
»Nein«, sagte Cian. »Er ist tot.«
»Wie könnt Ihr …« Niall brach ab.
»Bist du sicher?«, fragte Moira leise.
»Er ist ans Pferd gebunden, und er ist tot. Der erste Reiter auch, aber er ist verwandelt worden.«
»Gut.« Moira stieß einen Seufzer aus. »Niall, sag den Männern, sie sollen Ausschau nach weiteren halten. Ohne mein Kommando sollen sie gar nichts machen. Wir werden abwarten, was der Vampir will. Ein Deserteur vielleicht?« Fragend wandte sie sich an Cian, verwarf jedoch die Idee wieder, noch bevor er antwortete. »Nein, ein Deserteur wäre so weit nach Osten oder Norden geritten wie möglich und hätte sich versteckt gehalten.«
»Es könnte ja sein, dass er verhandeln will«, schlug Niall vor. »Vielleicht will er uns ja vormachen, dass der, den er mitbringt, noch lebt, damit wir ihn hereinlassen. Oder er hat Informationen, die für uns nützlich sein könnten.«
»Es macht ja nichts, wenn wir es uns anhören«, begann Moira. Dann ergriff sie Cians Hand. »Der Reiter. Das ist Sean. Sean, der Sohn des Schmieds. O Gott. Bist du sicher, dass er …«
»Ich kenne doch meine eigene Art.« Da seine Augen schärfer waren als Moiras, erkannte er auch den Toten. »Lilith hat ihn geschickt. Sie kann es sich leisten, jemanden zu verlieren, den sie erst kürzlich umgewandelt hat. Sie hat ihn geschickt, weil du ihn kennst und vielleicht Mitleid mit ihm hast. Lass es.«
»Er war doch noch ein Junge.«
»Jetzt ist er ein Dämon. Dem anderen blieb das erspart. Sieh mich an, Moira.« Er packte sie an den Schultern und drehte sie zu sich herum. »Es tut mir leid. Es ist Tynan.«
»Nein. Nein. Tynan ist im Stützpunkt. Wir haben doch gehört, dass er ihn sicher erreicht hat. Er war verletzt, aber er lebte und war in Sicherheit. Es kann nicht Tynan sein.«
Sie stieß Cian weg und beugte sich über die Mauer. Die Männer begannen Sean zu erkennen und riefen nach ihm.
»Es ist nicht mehr Sean.« Sie erhob ihre Stimme, um die Jubelrufe der Männer zu übertönen. »Sie haben den, den ihr kanntet, getötet und einen Dämon mit seinem Gesicht geschickt. Die Tore bleiben verschlossen, und niemand wird die Reiter hereinlassen. Ich befehle es.«
Sie blickte erneut nach unten, und ihr stockte der Atem, als sie sah, dass Cian Recht gehabt hatte. Es war tatsächlich Tynan, oder vielmehr seine verstümmelte Leiche, die auf das zweite Pferd geschnallt war.
Am liebsten hätte
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