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Rot wie eine Braut: Roman (German Edition)

Rot wie eine Braut: Roman (German Edition)

Titel: Rot wie eine Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anilda Ibrahimi
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über all die Bauern, die wie er als Partisanen gekämpft hatten, um dann Minister, Direktoren, Parteisekretäre und sonst was zu werden?
    »Ihre Sache«, befand Myrto, »ich habe für das Vaterland gekämpft und nicht für einen Posten.«
    Er widmete sich seinen Studien, an den heißen Sommernachmittagen las er im Schatten des Nussbaums. Oft ging er zum Dorfplatz, um auf den Bus zu warten. Der Fahrer stieg aus, öffnete den Leib des Fahrzeugs und zog große Kisten voller Bücher heraus. Bücher, die Myrto in der Stadt bestellt hatte. Manchmal lud er sich die Pakete auf die Schultern und trat gebückt den Heimweg an. Andere Male kam er mit dem Esel, packte ihm die Kisten auf den Rücken und ging schweigend davon.
    »Er macht uns lächerlich«, schrie Bedena. »Mutter, siehst du nicht, wie er ist? Sagst du gar nichts dazu?«
    Meliha schaute ihre Tochter an und antwortete ernst:
    »Mir genügt, dass er lebend zurückgekehrt ist, ansonsten kann er tun und lassen, was er will.«
    Eines Tages sieht Meliha, während sie über den Hof läuft, ihren Sohn unter dem Nussbaum inmitten seiner Bücher. Er hebt für einen Augenblick den Kopf und sagt:
    »Ich werde heiraten.«
    » Hajër  – Glück –dir « , antwortet Meliha und entfernt sich seelenruhig.
    Später sieht der Sohn sie im Sessel sitzend ihren Tabak rauchen.
    »Mutter«, sagt er, »du hast mich gar nicht gefragt, wer die Frau ist, die ich heiraten werde. Willst du es nicht wissen?«
    »Welche Bedeutung hat es schon?«, sagt Meliha. »Wenn sie dir gefällt …«
    »Es ist Saraja, Tanas Tochter.«
    »Dieses Haus muss endlich wieder mit Kindern und Freude belebt werden«, beendet Meliha das Gespräch und erhebt sich, um ihre Arbeit in der Scheune zu beenden.
    Bedena ist kurz davor durchzudrehen, als sie von der »freudigen Nachricht« erfährt, wie ihre Mutter sich ausdrückt. Tanas Tochter? Die Tochter der Kulaken soll ihre Schwägerin werden? Bedenas Kinder werden einen Haufen Kulaken als Cousins und Cousinen haben?
    Sie eilt zu Saba: Diesmal müssen sie einfach einer Meinung sein. Bedena sieht bereits auf jedem Gesuch nach einer Schule oder einem Arbeitsplatz den mit Rotstift geschriebenen Vermerk: »Kulak«. Oh mein Gott, das ist nicht irgendeine Katastrophe, es ist die Katastrophe.
    Aber Saba ist alles andere als entsetzt. Im Gegenteil, sie ist glücklich.
    »Nach all dem Unglück«, sagt sie, »gibt es endlich wieder Freude in unserer Familie. Eine echte Liebeshochzeit, ohne offene Rechnungen oder zu begleichende Schuld. Er liebt sie, und sie liebt ihn. Sie werden heiraten und glücklich und zufrieden leben.«
    Seit wann ist diese Schwester eigentlich so romantisch, fragt sich Bedena. Ausgerechnet Saba, die ihrer Mutter überallhin wie ein Schatten folgte. Diese Frau, die spricht, ist die Schisserin, die es nicht wagte, Emin das Mittagessen zu bringen? Wenn er bloß noch am Leben wäre, er würde sie schon alle zur Räson bringen.
    »Sie können nicht glücklich werden, Saba. Verstehst du? Saraja ist die Tochter eines Kulaken! Bist du denn vollkommen verblödet? Es sind die Dorfkulaken, wie sollen sie glücklich sein?«
    »Es ist keine tödliche Krankheit, Bedena. Vor ein paar Jahren waren sie genauso wie wir, so etwas passiert. Man kann es auch so sagen: Da rackert sich einer ein Leben lang für ein Stückchen Land ab, und plötzlich, von einem Tag auf den anderen, gehört es allen.«
    »Und wir? Wie sind wir denn dazu gekommen zu begreifen, dass es das Beste war, was man tun konnte? Sagst du nicht selbst, dass du zufrieden bist mit der neuen Regierung?«
    »Sei du bloß leise, dein Mann hatte nicht einmal einen Stein, an dem er sich den Kopf aufschlagen konnte, so arm war er. Und was mich betrifft, so lass mich besser aus dem Spiel. Diese Regierung gefällt mir, das stimmt, aber du hast überhaupt nichts begriffen. Ich bin in diesem System eine freie Frau, ich bin frei, wenn auch nicht reich. Vorher war ich weder reich noch frei.«
    Bedena weiß nicht, was sie noch sagen soll. Diese verdammte Hochzeit wird stattfinden, und sie wird zu Tanas Familie gehören, zur Familie dieser Kulaken.
    Sie läuft zu Myrto und schreit ihm ins Gesicht:
    »Das Blut deiner Brüder ist Wasser für dich geworden, jawohl, das ist es für dich geworden. Möge Schande all deine Nachkommen bedecken, die du mit dieser …«
    »Mit dieser …?«, wirft Myrto ein.
    Mit dieser nichts. Es gibt kein Wort, um diese Braut zu benennen, und wenn es eins gibt, so findet Bedena es

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