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Rot wie eine Braut: Roman (German Edition)

Rot wie eine Braut: Roman (German Edition)

Titel: Rot wie eine Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anilda Ibrahimi
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Stiefmutter erklärt Bubi, dass sie in der Küche alles für den Gast bereitgestellt hat, einen Teller mit Llokum und die Kaffeekanne auf dem Herd.
    Nach ein paar belanglosen Worten erhebt sich Bubi, um den Gast zu bewirten. Während sie Kaffee kocht, hört sie einen Schrei aus dem Wohnzimmer und eilt herbei um nachzusehen. Delfina steht mit weit aufgerissenen Augen da, zeigt auf den zukünftigen Diplomaten-Ehemann und sagt angewidert zu der Schwester:
    »Dieser Bastard hat versucht, mich zu küssen. Stell dir vor, er wollte mich auf den Mund küssen!«
    Um alles Weitere kümmert sich Bubi. Sie stürzt sich auf ihn wie eine Wildkatze, fängt an, ihn zu treten, zu schlagen, zu kratzen und zu beschimpfen. Sie zerrt ihn hinaus wie eine jener Stoffpuppen, die sie zusammen mit der Schwester an langen Sommernachmittagen gebastelt hat, dann stößt sie ihn die Treppe hinunter. Sie rennt hinter ihm her, während der Ärmste versucht zu entkommen. Immer wieder bückt sie sich, um einen Stein aufzuheben, den sie schreiend nach ihm wirft. »Möge er deinen Kopf treffen, du verfluchter Kerl, der du es gewagt hast, meine Delfina anzurühren. Möge für dich kein neuer Morgen kommen, möge deine Mutter die Fetzen deines Körpers in ein weißes Laken sammeln.«
    Nachdem Steinwürfe und Flüche beendet sind, läuft Bubi zurück, um Delfina zu trösten. Sie umarmt sie, dann setzen sich beide auf das Sofa.
    »Nie wieder lasse ich dich allein, nie wieder«, sagt sie zu ihr.
    Sie wird ihr Versprechen halten. Von diesem Augenblick an wird es kein Mann mehr wagen, sich den beiden Schwestern zu nähern.
    Sie verbringen fast ihr gesamtes Leben in vollkommenem Einklang. Ihr merkwürdiges Verhalten erregt bei niemandem mehr Anstoß. Die Leute haben andere Sorgen in einer Welt, die sich schnell verändert und vielleicht im Begriff ist, noch verrückter zu werden als zuvor. Aber die beiden Schwestern spüren diese Veränderungen nicht. Alles in allem haben sie Grund zu glauben, dass sich die Welt an ihre Schirme gewöhnt.

Neunzehn
     
    Bedena hatte eine blöde Tochter. Nicht bildlich gesprochen, sondern wirklich blöde: Ihr Gehirn entsprach dem einer Fünfjährigen. Es war sonderbar, sie im Hof herumlaufen zu sehen, mit ihrer Figur, an der alles dran war. Andere Dinge fehlten ihr, um als Frau gelten zu können. Sie verbrachte die warmen Sommertage im Schatten einer Silberweide, wo sie ihre Stoffpuppen an- und wieder auszog. Sie bettete sie sorgfältig auf eine Decke, dann legte sie ihnen saubere, frisch duftende Kleider an. Sie war klein geblieben, für immer gefangen in der Erinnerung an die Liebe, die sie spürte, als sie noch im Fruchtwasser schwamm, ohne zu ahnen, was wenig später geschehen sollte. Das bisschen Liebe, das ihr zuteilgeworden war, versuchte sie, an ihre Puppen weiterzugeben.
    Die Mutter schenkte ihr keine Beachtung, für die Schwestern war sie Grund zur Scham und Befangenheit. Den Brüdern stellte sich das Problem nicht: Für sie war sie nie geboren worden.
    Es ist ein Tag wie viele andere, ein heißer Tag, an dem das Vieh im Schatten Schutz sucht. Bedena sitzt mit den Freundinnen, den wenigen, die sie hat, im Hof. Während des Sommers verlegt sie ihr Wohnzimmer hierher, unter die Weinrebe. Zwei Holzbänke mit bequemen Kissen, die sie selbst bestickt hat, damals, als sie, mit ihrer Aussteuer beschäftigt, zu erraten versuchte, welches Haus sie einst schmücken würden. Nun sitzt sie auf diesen Kissen in ihrem Garten, ist die Hausherrin und plaudert mit ihren Gästen. Sie ist längst nicht mehr jung, Mutter von fünf Kindern, genaugenommen sechs, aber das sechste wäre besser nie geboren worden.
    Nach dem Mokka das übliche Ritual mit dem Kaffeesatz: Lasst uns schauen, was in dieser abgelegenen Bergregion geschieht, lasst uns schauen, ob der liebe Gott Erbarmen mit diesen Leuten hat, die seit Jahrhunderten verzweifelt versuchen, dem Wind, der Welt, dem bitteren Schicksal zu trotzen.
    »Na so was, welch langen Weg sehe ich in deiner Tasse. Wo willst du denn hin, ohne uns davon zu erzählen?«
    Die Ertappte schaut mit einem schwachen Lächeln zu Bedena, sie scheint erstaunt über die ihr bevorstehende lange Reise zu sein, aber ein versteckter Glanz in ihren Augen straft ihre Ungläubigkeit Lügen.
    »Jetzt musst du allen erzählen, welch vernünftiger Grund dich so weit weg führen wird. Du versuchst, die Dinge geheim zu halten, und lässt dir dann von Bedena den Kaffeesatz lesen? Ja bist du denn so naiv? Ihr entgeht nichts.

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