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Rot wie eine Braut: Roman (German Edition)

Rot wie eine Braut: Roman (German Edition)

Titel: Rot wie eine Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anilda Ibrahimi
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sie nichts taugten, ich hatte echte Pässe gesehen. Aber ich sagte nichts. Vielleicht würde die Zauberin ihnen erklären, was sie tun mussten, um an die richtigen Papiere zu kommen, vielleicht würde sie ihnen auch direkt die Formulare für die Ausreise nach Amerika beschaffen.
    Wenig später kam Großmutter Saba heraus, und wir kehrten zurück nach Hause.
    Tante Eugenia gab uns weiterhin keine Küsse auf die Wange und hielt sich von den Frauen der Familie weiterhin fern.

Dreizehn
     
    Etwas war mir von klein auf klar: Ich würde kein einfaches Gefühlsleben haben, bei all den Frauen in der Familie. Frauen können dir bei der Entdeckung der Erwachsenenwelt eine große Hilfe sein, sie können aber auch dein Verderben bedeuten. Wer unter vielen Frauen aufgewachsen ist, weiß, wovon ich spreche.
    Ich nahm an allen Frauentreffen teil und ließ sogar ihre Predigten über mich ergehen: »Nimm dich bloß in Acht, du, nimm dich vor den Jungen in Acht, vertraue ihnen nicht, denn letztlich haben sie’s nur auf eins abgesehen, auf deine kleine Schnecke.« In jungen Jahren verstand ich nicht viel, außer dass es die Schnecke um jeden Preis zu beschützen galt.
    Meine Mutter sprach nie über solche Dinge mit mir. Sie sah mich an, ohne etwas zu sagen. Vielleicht aus Angst, in den Chor der anderen mit einzustimmen, vielleicht auch, weil sie glaubte, ich würde einmal ihre Zurückhaltung zu schätzen wissen.
    Meine Mutter sah mich an, wie man das zarte Gras betrachtet, das im Frühjahr sprießt, mit der Angst, ein unbesonnener Schritt könne mein Verderben bedeuten. Aber ich war nicht so zart, für mich herrschte Einklang zwischen dem Licht und der Erde, auf der ich gedieh wie alle Frauen. Nur dass die Luft, derer mich meine anderen Mütter beraubten, durch das Schweigen der Genossin Klementina nicht wieder aufgefüllt werden konnte.
    Ich war sieben Jahre alt, als sich mir zum ersten Mal jemand auf anstößige Weise zu nähern versuchte. Mit meiner Mutter konnte ich darüber nicht reden. Ich hatte mich beim Wettrennen verletzt und war mit meiner Freundin Marieta zur Erste-Hilfe-Station im Viertel gegangen, um mir mein Knie verarzten zu lassen. Wir waren auf dem Rückweg nach Hause. Ein paar Jungen spielten auf dem Sportplatz Fußball, wir liefen dicht vorbei. Der Junge, der im Tor stand, sah mich an und rief:
    »Wie hübsch du bist. Sag, lässt du mich einmal an sie ran, ein einziges Mal nur?«
    Auch wenn ich nicht begriff, auf was er es abgesehen hatte, war mir immerhin so viel klar, dass er es nicht für immer haben wollte.
    Ich lächelte, das Kompliment freute mich sehr. Ich wollte ihm antworten, dass ich nicht ganz verstanden hätte, um was es ihm ging.
    Marieta ließ mir keine Zeit dazu, sie zerrte mich fort.
    »Du bist echt verrückt!«, hielt sie mir vor. »Man spricht nicht mit Jungs, schon gar nicht mit den großen.«
    »Ich weiß«, gab ich zurück, »aber ich hab nicht verstanden, was er von mir wollte.«
    »Ach komm«, antwortete Maireta, »das glaub ich dir nicht.«
    Ich schwor auf die »rote Bahre« meines Vaters, und sie ließ sich überzeugen, dass ich die Wahrheit sprach. Im Gegenzug für eine Erklärung versprach ich ihr einen Monat lang für alle Folgen der Märchenwelt einen Gratisplatz vor unserem Fernseher. Jeden Samstagabend um sechs Uhr würde für Marieta ein Platz auf unserem Wohnzimmersofa reserviert sein. Damals hatten noch nicht alle einen eigenen Fernseher, er kostete mehr als die Hälfte eines Jahreseinkommens, und es war nicht ganz einfach, einen zu erwerben. Man brauchte eine Genehmigung vom Parteirat und vom Parteisekretär: eine Genehmigung, um von deinem eigenen Geld einen Fernseher zu kaufen.
    Nach diesem Versprechen enthüllte mir Marieta, dass es sich um »schändliche« Dinge handele: Er hatte mir vorgeschlagen, mit ihm ein einziges Mal »Schandworte zu machen«. Ich verstand immer noch nicht. Marieta verlor allmählich die Geduld und sagte, dass die schändlichen Dinge das wären, was die Eltern nachts täten. Ich hatte einen Bruder, richtig? Wir waren zwei Kinder, also hatten meine Eltern nur zwei Mal »Schandworte gemacht«.
    In diesem Augenblick musste ich daran denken, dass Marieta acht Geschwister hatte. Ich durfte mich nicht beschweren, sie hatte es viel schlimmer getroffen.
    Ich konnte die ganze Nacht lang nicht schlafen. Dieser Junge wollte also ein Kind mit mir machen. Es war eine Art Heiratsantrag. Aber ganz überzeugt war ich nicht.
    Wenig später wurde meine Mutter schwanger.

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