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Rot wie eine Braut: Roman (German Edition)

Rot wie eine Braut: Roman (German Edition)

Titel: Rot wie eine Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anilda Ibrahimi
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Lebensbedingungen. In dieser von Fackeln erhellten Nacht wurde nichts weiter als der Wunsch nach elektrischem Licht laut.
    Aber am nächsten Tag waren die jungen Männer wieder auf der Straße. Ich hatte viele Revolutionen im Fernsehen gesehen, nun konnte ich endlich selbst eine erleben. War das etwa kein Grund, sich dem Zug anzuschließen? Mit meiner neuen flammenroten Mähne ging ich hinaus. Wir waren bloß zwei Frauen, beide aus Vlora.
    Die Tage vergingen, die Slogans veränderten sich. Anfangs bemerkte ich die Veränderung gar nicht, vielleicht begriff ich sie nicht. Es kamen neue Leute hinzu, Leute, die anders waren als wir. Ich erinnere mich noch an ihre weißen, vom Wind aufgeblähten Regenjacken. Später erzählte man uns, es seien einflussreiche Leute, die der Regierung schon immer sehr nahegestanden hätten. Dann hieß es, sie seien Dissidenten, und noch später, dass unsere gesamte Regierungskaste seit jeher aus Dissidenten bestanden hätte, besser gesagt, das ganze Volk: drei Millionen Dissidenten. Es hatte nur einen Diktator gegeben, er hatte den Kommunismus eingeführt und die neue Gesellschaft geschaffen, er ganz allein.
    Niemand schrie mehr nach Licht oder Heizung, man forderte nunmehr die Freiheit.
    Die Massen brachten die riesige Statue des Diktators im Zentrum der Hauptstadt zu Fall. Die Botschaften wurden gestürmt, Schiffe und alte Schlepper geentert, die noch aus den Zeiten der Freundschaft mit der Sowjetunion stammten, und … der Rest ist bekannt. Arme Dissidenten, die wir vom Schicksal in die Welt getrieben wurden.
    Ich erlebte diese Zeiten mit Staunen, Angst, Schmerz und mit Bedauern.
    Unsere Männer hatten es eilig, sich von der sexuellen Unterdrückung, unter der sie so lange gelitten hatten, zu befreien. Man ging nicht mehr aus wie früher: nur noch tagsüber und immer in Gruppen. Die Frauen schlenderten über die neuen Basare, die in den Zeltlagern der Roma entstanden waren. Kleider, die direkt aus dem Westen kamen: die neueste Mode. Nicht nur das, wenn man meinen Freundinnen Glauben schenkte, waren es Kleider, die von den Topmodels bei den Modenschauen getragen und anschließend von den großen Modehäusern auf den Märkten in aller Welt, in der Dritten Welt verkauft wurden. Natürlich, sobald Linda Evangelista oder Cindy Crawford sie abgelegt hatten. Die Designer füllten ganze Container und schickten sie in Länder wie Albanien, in das nur wenige Kilometer von der Hauptstadt entfernte Roma-Lager von Fushë-Kruja. Da die Roma in der Gegend von Tirana Gabel genannt werden, hatten diese Zelte den Namen »Firma Gabi« bekommen, und die Schlangen, um bei der Firma Gabi Kleider zu kaufen, waren oft kilometerlang.
    Auch meine Freundinnen und ich gingen eines Tages hin. Es schien, als ströme ganz Tirana auf den Platz mit diesem Roma-Lager. Vielleicht auch nur halb Tirana – die andere Hälfte war nämlich damit beschäftigt, Sali Berisha beizustehen, der die Fundamente des Kommunismus niederriss. Oder das, was davon übrig geblieben war. Mein Volk war hin- und hergerissen zwischen Plätzen, auf denen man darauf wartete, dass die Verheißungen von Luxuskarossen und allgemeinem Wohlstand in Erfüllung gingen, und anderen, weniger schönen Plätzen, auf denen man in schwarzen Plastiksäcken nach Kleidern wühlte, denen ein Hauch von Westen anhing.
    Ich hatte kein Glück mit der Firma Gabi. Meine Freundinnen und ich durften nicht die Haute Couture -Kleider tragen, die Karl Lagerfeld für Linda, Cindy, Carla und all die anderen entworfen hatte. An besagtem Tag sahen wir zu unserem Bedauern den Westen vor unseren Augen davonschwimmen. Schuld daran war ich allein. Ich hatte einen etwas zu kurzen Jeansrock angezogen, er reichte nicht ganz über die Knie. Während ich geduldig in der Schlange stand, sah mich eine der Gabel und kam wütend auf mich zu. Was habe ich bloß verbrochen?, fragte ich mich erschrocken.
    »Du da«, brüllte sie, »raus aus der Schlange, ich will nicht, dass du irgendetwas kaufst. Schämst du dich nicht? Ich lasse keine Kurva in mein Haus. Hinterher beschwerst du dich, wenn mein Gabel über dich herfällt. Er ist ein echter Mann, verlass dich drauf, und was kann er dafür, wenn sich ihm eine Gaxhia derart zur Schau stellt? Verschwinde hier, und das nächste Mal, wenn du Kleider kaufen willst, sieh zu, dass du dir die Schenkel bedeckst.«
    So sah 1992 die kapitalistische Wirtschaft in Albanien aus.
    Überall in Tirana hatten Bars und Diskotheken eröffnet, Diskotheken, die

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