Rot wie Schnee
zum Mund führte, klingelte es, und er zuckte so zusammen, dass er Cognac auf sein Hemd schüttete. Dann fiel ihm ein, dass diese Polizistin ja kommen wollte.
»Ich komme«, schrie er automatisch, als hätte man ihn bei |190| etwas Ungebührlichem ertappt. Er trat ans Fenster. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn die Stellflächen mit blau-weißen Streifenwagen zugeparkt gewesen wären.
Ann Lindell kam allein. Das beruhigte ihn einigermaßen. Beim letzten Mal hatte ihn die ganze Zeit die Anwesenheit des anderen Polizisten irritiert und wie der sich aus seinem Blickfeld bewegte.
Jetzt hatte er die Kontrolle. Er platzierte sie auf dem weißen Sofa, das zwar teuer und modern war, auf dem man aber nicht bequem saß.
Sie lächelte, allerdings nicht sonderlich herzlich. Übergangslos fragte sie ihn, ob ihm seit dem letzten Gespräch noch etwas eingefallen sei.
Er schüttelte den Kopf. Rede so wenig wie möglich, dachte er, und der Gedanke beruhigte ihn. Die wissen nichts, die tappen im Dunkeln, und die sind abhängig von den Informationen, die ich ihnen gebe.
»Wir glauben, dass wir wissen, wo Armas starb«, sagte Lindell. »Ermordet wurde«, fügte sie hinzu.
Er wartete, dass sie mehr sagte, aber sie tat es nicht. Stattdessen stellte sie eine neue Frage.
»Können Sie sich vorstellen, dass Armas in Geschäfte verwickelt war, von denen Sie nichts wussten?«
»Entschuldigen Sie, aber mir fällt Ihr Name nicht ein«, sagte Slobodan Andersson.
»Ann Lindell.«
Er nickte.
»Könnte das sein?«
»Wie sein?«
Lindell wiederholte ihre Frage, und Slobodan Andersson sah ihr an, dass er es nicht zu weit treiben durfte.
»Nein«, sagte er bestimmt. »Ich kannte Armas wie mich selbst. Er war ein Freund, wie ein Bruder für mich.«
|191| Lindell saß eine Weile still da. Slobodan sah auf seine Brust. Der Cognacfleck störte ihn.
»Auch Brüder können einen enttäuschen«, sagte sie, führte den Gedanken aber nicht weiter aus, sondern fragte: »Ich dachte an die Tätowierung. Es ist doch ein bisschen sonderbar, dass Sie, obwohl Sie sich so nahestanden, nicht wussten, was sie darstellte. Sie müssen die Tätowierung ja doch oft genug gesehen haben. Wurden Sie nicht neugierig?«
»Armas war mein Freund. Er war verschwiegen. Aber unbedingt loyal.«
»Also, Sie hatten keine enge Partnerschaft?«
»Wie meinen Sie das?«
»Traf Armas Frauen?«
Slobodan Andersson beobachtete sie einige Sekunden, ehe er antwortete.
»Schon, aber immer seltener.«
»Als wir uns das letzte Mal unterhielten, sagten Sie, es habe eine Frau gegeben.«
»Das ist mehr als zehn Jahre her. Sie verschwand.«
»Kann es sein, dass Armas sich für Männer interessierte?«
Slobodan Andersson lachte. »Entschuldigen Sie, aber das ist zu blöd. Sie können froh sein, dass Armas Sie nicht hört.«
»In seiner Wohnung haben wir pornografisches Material gefunden, das uns das glauben macht«, sagte Lindell und schaute ihn an.
»Armas war nicht schwul, was auch immer Sie gefunden haben«, stellte Slobodan Andersson mit einer Überzeugung in der Stimme fest, die ihn selbst erstaunte. »Sie sollten sein Andenken nicht in den Schmutz ziehen.«
»Wenn es so wäre und Armas eine Vorliebe für andere Männer gehabt hätte, würde Sie das denn stören?«
»Wie, andere Männer?«
»Macht es Ihnen etwas aus?«
»Jetzt reicht’s. Das ist die reinste Beleidigung. Sollte …«
|192| »Ich habe keine Schwulenphobie«, unterbrach Lindell ihn ruhig.
Der Schlagabtausch ging minutenlang so weiter. Slobodan Andersson hätte sehr gern noch etwas Cognac gehabt. Diese Ziege, die sich frech einfach die Schuhe abgestreift hatte und mit hochgezogenen Beinen auf seinem weißen Sofa saß – Lindell regte ihn auf, wie es schon seit Jahrzehnten keiner getan hatte. Aber er musste sich zurückhalten.
»Eigentlich hat die Polizei doch noch nichts vorzuweisen.« Abrupt änderte er seine Taktik. Sein Tonfall drückte eine Mischung aus Verachtung und Verbitterung aus.
»Wir haben schon eine ganze Menge«, sagte Lindell. »Wir wissen, dass Armas sich vielleicht nicht gerade ein Vermögen, so aber doch eine ganz ordentliche Rücklage zusammengespart hat.«
»Wie viel?« Die Worte rutschten Slobodan Andersson unwillkürlich heraus.
Lindell lächelte.
»Die Freundschaft war vielleicht nicht so eng, dass er darüber sprechen wollte?«
Slobodan Andersson antwortete nicht, sondern stand auf, ging zum Barschrank und schenkte sich einen Cognac ein.
»Wir wissen auch, dass
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