Rot wie Schnee
Armas seinen Mörder wahrscheinlich kannte.«
»Ach?« Slobodan Andersson war froh, dass er ihr den Rücken zuwandte. Er wollte wissen, wie die Polizei zu der Ansicht gekommen war, zögerte aber, Lindell zu fragen. Oder müsste ich neugierig sein?, dachte er bei sich.
»Oder ihn jedenfalls nicht als Bedrohung empfand.«
»Woher wissen Sie das?«
Slobodan Andersson drehte sich um und trank einen Schluck Cognac, um zu vertuschen, wie erregt er war.
»Darauf kann ich nicht näher eingehen«, sagte Lindell. »Eine andere Frage. Ich bekam von Ihnen eine Liste mit Namen |193| von Armas’ Bekannten. Sind Ihnen zwischenzeitlich mehr Namen eingefallen?«
»Nein, sein Bekanntenkreis war klein.«
»Aber groß genug, um einem Mörder Platz zu bieten.«
Hure, dachte er, ich sollte sie rausschmeißen. Überzeugt davon, dass jeder Mensch einen Schwachpunkt hat, begann er zu grübeln, wie er sie bestrafen könnte.
»Das haben Sie vielleicht auch? Einen Bekannten, oder jedenfalls jemanden, den Sie kennen, der bereit wäre, Ihnen oder den Ihren zu schaden?«
Lindell antwortete nicht.
Das hat gesessen, dachte er und trank den Cognac aus.
»Das muss bei Ihrem Beruf ja fast so sein, bei dem man immer so exponiert ist«, fügte er hinzu und setzte sein Glas ab, dass es klirrte. Er war mit der Wendung, die das Gespräch genommen hatte, zufrieden.
»Sie sehen zu, dass die Menschen in angenehmer Umgebung etwas in den Magen bekommen«, sagte Lindell und ließ den Blick zu seinem Bauch wandern. »Das ist gewiss ein ehrenwerter Beruf.« Jetzt starrte sie ihm in die Augen. »Ich hingegen setze sie auf leichtere Kost in eher anspruchsloser Umgebung.«
»Soweit ich gehört habe, ist das Essen im Knast ausgezeichnet.«
»Das Menü ist beschränkt«, sagte Lindell, »und auf die Dauer bestimmt ermüdend.«
Slobodan Andersson lächelte höhnisch.
»Und man serviert dort keinen Cognac«, ergänzte sie.
Er sah sie über den Parkplatz davongehen. Das Klingeln ihres Handys hatte die Unterhaltung beendet, und sie war eilig aufgebrochen, nachdem sie ihm für das Gespräch gedankt hatte.
Er hasste sie. Niemand durfte Slobodan Andersson so behandeln.
|194| 30
A nn Lindell war beunruhigt. Sie hatte sich zu einem Wortgefecht mit Slobodan Andersson hinreißen lassen. Das war nicht professionell, sondern bescheuert. Ihre Niedergeschlagenheit verriet ihr, wie sehr es sie beunruhigte. Armas wollte und wollte nicht Gestalt annehmen. Es war, als verschwinde er hinter einem Vorhang. Seine unbekannte Vorgeschichte, gepaart mit einer so fantasielosen und strengen Lebensführung, bewirkte, dass er ihr im wahrsten Sinn des Wortes unbegreiflich war.
Den Täter zu finden, setzte oft voraus, das Opfer zu kennen. Niemand hatte Armas wirklich gekannt, nicht einmal Slobodan Andersson, davon war sie inzwischen überzeugt.
Wer kennt mich?, dachte sie, als sie auf dem Spazierweg neben den Schienen zurückging. Nach der Hitze der letzten Tage waren Wolken aufgezogen und türmten sich überall am Himmel. Niemand weiß von meiner Angst vor Gewittern, dachte sie. Niemand, außer Edvard.
Havers Anruf, der sie veranlasst hatte, so eilig bei Andersson aufzubrechen, betraf die technische Ermittlung. Etwa fünfzig Meter von der Lichtung entfernt, die sie als Tatort vermuteten, hatten die Techniker Spuren von Autoreifen gesichert. Der Untergrund war trocken, und deshalb waren die Spuren undeutlich, aber offenkundig war jemand dem alten Weg gefolgt, hatte das Stacheldrahtgatter geöffnet und dort geparkt. Der Wagen war hinter Erlen und allerlei Gestrüpp verborgen gewesen.
Lindell ging sofort zu Havers Büro. Dort sah es aus, als habe er sich hinter Stößen von Papier verbarrikadiert. Wie immer, wenn Ola Haver tief in seinen Überlegungen steckte, standen seine Haare in alle Himmelsrichtungen ab.
»Der hart arbeitende Ermittler Ola Haver«, sagte Ann |195| leichthin. Nach dem Gespräch mit Andersson war sie froh, ihren Gedanken zu entkommen.
Haver grinste. Seit einer romantischen Kabbelei vor ein paar Jahren hatte sich ihre Beziehung deutlich verbessert. Von der Anziehung zwischen ihnen war nichts geblieben. Beiden war klar, dass es keine wirkliche Verliebtheit gewesen war. Sie war von der Beziehung mit Edvard frustriert gewesen und er von einer Ehe im Leerlauf.
»Dieser Morgansson ist ein Teufelskerl«, sagte Haver. »Aber das weißt du wohl schon. Ich hatte die Spur verloren, aber der ist ja ein richtiger Spürhund. Verteufelt schweigsam, aber Spuren
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