Rot
rechts ab, auf den Sandweg, der zum Elielinaukio führte.
»Ein großes Gebäude mit einer gelben Ziegelfassade, westlich vom Bahnhof, neben dem Pressehaus mit den Glaswänden. Du kannst es nicht verfehlen«, erklärte der Vorsitzende und die Verbindung brach ab.
Manas war leicht bewaffnet, er trug ein Kampfmesser SH-5, eine unzerbrechliche Spritze aus Kompositmaterial, einen drei Millimeter starken und einen Meter langen Stahldraht und eine Pistole vom Typ Baikal Makarow MP654. Wenn in der Bibliothek genug Leute wären, käme er unbemerkt nahe an Kara heran, könnte ihn hinrichten und verschwinden, bevor die Leiche entdeckt wurde und Panik entstand.
Manas erreichte die nördliche Ecke des Pressehauses Sanomatalo und beschleunigte das Tempo. In seinem Kopf dröhnte ständig der Gedanke, dass er auch diesmal wieder nicht genießen dürfte. Er müsste Kara lautlos umbringen und könnte die Angst des Mannes oder den Gesichtsausdruck vor dem Tod nicht sehen und sein Bitten und Flehen nicht hören. Das gelbe Ziegelgebäude war leicht zu erkennen, hatte aber mehrere Eingänge. Es war Samstagabend und auf dem Platz neben dem Bahnhof wimmelte es von Menschen, Bussen und Taxis.
Der Kirgise fluchte. Er hatte nicht die geringste Ahnung, hinter welcher Tür sich die Bibliothek befand, also war er gezwungen, jemanden zu fragen. Rasch schaute er sich um und suchte einen Einheimischen, der möglichst harmlos aussah, da fiel sein Blick auf die Dutzende Meter lange Schlange am Taxistand. Leo Kara! Er stand mit hängenden Schultern an und hielt eine alte Ledertasche in der Hand. Die Entfernung betrug etwa hundert Meter.
Die Spritze, beschloss Manas, die Entscheidung fiel leicht. Er würde von hinten an Kara herantreten, ihm die Kanüle vom Nacken ins Gehirn stoßen und im Gedränge untertauchen, bevor derMann auf den Asphalt stürzte. Manas hastete im Laufschritt los und kam seinem Opfer immer näher.
Irgendetwas ließ die Alarmglocken in seinem Kopf schon läuten, bevor er das Polizeiauto sah – das Geräusch eines Motors, der mit zu hoher Drehzahl aufjaulte, die Köpfe der Menschen, die sich alle in dieselbe Richtung wandten … Er rannte los, Kara war noch zehn Meter entfernt, ein Martinshorn heulte auf, die Spritze war mit Tape am Unterarm befestigt, er riss sie ab und hielt sie bereit. Manas hatte sein Opfer schon fast erreicht, als Kara ihn bemerkte und schützend seine Tasche hob. Der Kirgise prallte mit solcher Wucht auf Kara, dass der ein paar Meter weiter geschleudert wurde und rücklings auf dem Asphalt landete. Manas schwankte, stützte sich auf dem Boden ab und stürzte sich erneut auf Kara, aber der war schon wieder auf den Beinen und sprintete los in Richtung Polizeiauto, das gerade fünfzig Meter entfernt am Eingang zur Metro vorbeifuhr.
Manas fluchte lautlos, nicht vor Enttäuschung oder Wut, sondern weil er Kara nicht folgen konnte. Jetzt war Eile geboten, das Polizeifahrzeug stoppte dreißig Meter hinter ihm – zum Glück waren es nur zwei Mann. Er stürmte in das Bahnhofsgebäude hinein, zog seinen Mantel aus, stopfte ihn in einem Abfallkorb, erblickte die Hinweisschilder der Metro und schaute direkt in das schwarze Auge einer Überwachungskamera. Das erste Mal in seiner ganzen Laufbahn.
DRITTER TEIL
Das Lächeln
9. Oktober – 12. Oktober
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Sonntag, 9. Oktober
Starfire Optical Range (SOR), ein Forschungslabor der US Air Force, lag auf dem Luftwaffenstützpunkt Kirtland in Albuquerque. Kennzeichnend für diese Gegend waren die Sonnenuntergänge, die den Himmel über den Sandia-Mountains hellrot und grünlich färbten. Der Sicherheitstrakt des SOR hingegen besaß sein eigenes Kennzeichen: eines der weltweit größten Teleskope für das Aufspüren von Satelliten. Zur Verringerung der Szintillation, also der Strömungen und Turbulenzen in der Atmosphäre, die auf langen Strecken die Homogenität der Laserstrahlen schwächten, wurden in dem Forschungslabor Methoden entwickelt, die sich der adaptiven Optik bedienten. Gemäß den offiziellen Quellen sollten mit diesen Arbeiten der Ablauf und die Sicherheit des Datenverkehrs und der Datenübertragung verbessert werden, aber nach Ansicht der New York Times und mehrerer Verteidigungsexperten wurden im SOR bodengestützte Laserwaffen hergestellt, die Satelliten vernichten konnten.
Um 03:16 Uhr am Sonntagmorgen blieb ein Lkw mit Obersergeant Larry Brodowksi von der 898. Versorgungsstaffel der US Air Force am Steuer auf der Straße stehen, die quer durch das
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