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Rot

Rot

Titel: Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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energischen Sätzen verteilte sie die Aufgaben, fuhr hinauf ins oberste Geschoss von Legoland und betrat das Zimmer von Sir Anthony Richardson. Der millimetergenau gezogene Scheitel des grauhaarigen kleinen Mannes war ein wenig durcheinandergeraten.
    »Der Leiter des FSB Aleksandr Bortnikow hat Kontakt zum MI5 aufgenommen«, sagte Sir Anthony und nahm ein Blatt Papier von seinem Schreibtisch. »Bortnikow versichert, dass der Nachrichtendienst der Russischen Föderation nichts mit Gilbert Birou, Clive Grover und anderen Spionen zu tun hat, die für die Stiftung Mundus Novus gearbeitet haben. Er hat mitgeteilt, dass der FSB bereit ist, uns zu helfen, die Kriminellen zu fassen, die sich in seiner Organisation eingenistet haben. Worum zum Teufel geht es hier eigentlich?«
    Betha Gilmartin setzte sich in den Ledersessel und wiegte den Kopf. »Clive Grover hat behauptet, er habe nicht für Russland gearbeitet, sondern im Auftrag der innerhalb des FSB wirkenden Silowiki, der ›starken Menschen‹. Und die wiederum haben eine Art Vereinigung gegründet oder gehören ihr zumindest an, die sie Mundus Novus nennen, Neue Welt.«
    »Was sind das bloß für Zeiten, wenn die Russen uns ihre Hilfe anbieten«, erwiderte Richardson und schüttelte den Kopf. »Jeder inoffizielle Kontakt zwischen uns und Moskau endete schon 1996, als der FSB Platon Obuchow in Moskau enttarnte und man auf beiden Seiten Diplomaten auswies. Und 2004, gerade als sichdie Lage allmählich wieder normalisierte, wurde erneut einer von unseren Leuten, Igor Sutjagin, erwischt. Und danach folgte ja Litwinenkos Plutoniumvergiftung.«
    Ich weiß, ich habe alle diese Fälle bearbeitet, dachte Betha Gilmartin, sagte aber nur: »Diese Gelegenheit muss man ausnutzen. Wir sollten beim FSB alle Informationen abzapfen, die sie rausrücken.«
    Sir Anthony verzog den Mund. »Ich habe auch schlechte Nachrichten. In gewisser Weise. Clive Grover wird unser Kostenbudget nicht belasten, mit keinem einzigen Pfund. Er hat sich das Leben genommen.«
    Betha Gilmartin konnte nichts dagegen tun, dass sie einen Stich spürte und Trauer empfand.
    »Es sieht so aus, als hätte Grovers letzte Handlung darin bestanden, diejenigen, die ihn angeworben hatten … Mundus Novus zu täuschen«, sagte Sir Anthony. »Er hat ihnen geraten, ihre Finanzmittel aus ihrer Zentralbank abzuziehen, und behauptet, wir würden sonst an ihr Geld herankommen. Und dann hat er dich aufgefordert, nach ungewöhnlich großen Geldtransaktionen zu suchen.«
    Betha Gilmartin war überrascht. Nicht weil sich Clive Grover so eine gute Falle ausgedacht hatte, sondern weil es offenbar sein Wunsch gewesen war, vor seinem Ende in ihre Reihen zurückzukehren. »Wenn die Russen Clive umgebracht hätten, wäre die ganze Wurmbüchse ausgekippt worden. Die Journalisten hätten so lange herumgestochert, bis sie von seiner … Vergangenheit Wind bekommen hätten.«
    »Vermutlich hat Grover schon, als er enttarnt wurde, begriffen, dass sein Fall niemals vor Gericht landen würde«, erklärte Sir Anthony. »Das hätte der ganzen britischen Aufklärungsgemeinde einfach zu viel Schaden zugefügt. Anscheinend hat er sich seine ganze Geschichte um den Informationsaustausch mit Golowkin nur ausgedacht, um uns zu helfen. Grover hat sich geopfert.«
    Betha Gilmartins Privathandy klingelte genau zum richtigen Zeitpunkt. Sie zog fragend die Brauen hoch.
    »Du vergisst hoffentlich nicht, dass ich zum Jahreswechsel pensioniert werde. Ein neuer Chef ist noch nicht ausgewählt«, sagte Sir Anthony und runzelte dabei die Stirn, dann erteilte er ihr mit einer Handbewegung die Erlaubnis, zu gehen.
    Draußen im Flur meldete sich Betha Gilmartin sofort – der Anruf kam von der Metropolitan Police.
    »Wir haben hier einen Mann namens Leo Kara, der im Zusammenhang mit einem Vorfall in Marylebone, bei dem geschossen wurde, verhört wird. Er behauptet, Sie würden gern für ihn bürgen.«
    »Sehr gern«, erwiderte Betha Gilmartin verärgert.

30
    Sonntag, 9. Oktober
    Betha Gilmartin rannte im Londoner Stadtteil Putney nach Hause. Die Rettungsringe um ihre Hüften schwappten auf und nieder und ihr Atem rasselte. Sport getrieben hatte sie das letzte Mal zu Zeiten der Premierministerin Margaret Thatcher. Die Fahrt mit der Metro von der Station Vauxhall ganz in der Nähe des SIS-Hauptquartiers hatte trotz Umsteigen deutlich weniger als eine halbe Stunde gedauert, mit dem Auto brauchte man für die mickrigen paar Meter schlimmstenfalls doppelt so lange. Sie

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