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Rot

Rot

Titel: Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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gewesen. Und du warst auch schon vor … dem Herbst 1989 kein leichter Fall. Manchmal hast du dich in deine Filme vergraben, und dann wieder hast du versucht, auf dich aufmerksam zu machen. Schon mit dreizehn hast du dich mit deinen Kumpels volllaufen lassen.«
    Leos betretene Miene bestärkte Aleksi Kara nicht gerade, weiter über die Vergangenheit zu reden. »Ich habe auch von deinem Gedächtnis gehört und dass du mehrere Sprachen gelernt hast. Bist du ein Savant ?«
    Kara schüttelte den Kopf. »Sprachen lerne ich leicht und ich erinnere mich an alle Gesichter, aber ansonsten bin ich nicht … so wie du. Zum Glück.« Er zwang sich ein Lächeln auf die Lippen.
    »Sollten wir darüber sprechen, was damals passiert ist?«, fragte Aleksi Kara.
    »Gern«, erwiderte Kara. Er ließ seinen Worten freien Laufund erzählte alles, woran er sich erinnerte, angefangen damit, als man in ihr Zuhause eingedrungen war, bis zu dem Moment, in dem Manas ihn vor die Wahl gestellt hatte: »Entweder du redest oder ich bringe deine Mutter um.« Mehr wollte er nicht berichten, um seinen Vater zu schützen. Vielleicht würde der die Wahrheit darüber, was mit Mutter geschehen war, nicht ertragen.
    Aleksi Kara bemerkte, dass sein Sohn zögerte. »Ich weiß natürlich, was Manas deiner Mutter angetan hat. Aber deswegen darfst du dir keine Vorwürfe machen, sie hatten ohnehin vor, deine Mutter umzubringen. Das war alles genau geplant. Du musst dir selbst vergeben, sonst wirst du nie fähig sein, ein normales Leben zu führen. Hast du übrigens eine Partnerin?«
    Kara schniefte.
    »Du willst dich nicht binden, weil du fürchtest, du könntest anderen Leid zufügen. Du hättest nicht sehen dürfen, was sie mit mir und deiner Mutter gemacht haben, du warst zu jung.«
    Es dauerte eine Weile, bis Kara klar wurde, dass sein Vater Emma nicht erwähnt hatte. »Und Emma, was ist mit meiner Schwester passiert?«
    »Sie lebt. Das war meine Bedingung, sonst wäre ich nicht bereit gewesen, für sie zu arbeiten. Ich habe ihnen gesagt, dass sie mich dann lieber auch umbringen sollen. Ursprünglich wollten sie nur dich am Leben lassen, damit du erzählst, was angeblich geschehen war.«
    Kara war eine Weile sprachlos. »Wo ist sie? Was hat Emma in all den Jahren gemacht, warum hat sie sich nicht gemeldet?«
    »Das weiß ich wirklich nicht. Es ist mir nicht gelungen, irgendwelche Informationen über Emma zu bekommen. Sie zeigen mir nur einmal im Jahr Fotos. Aus denen kann man nicht viel schlussfolgern«, konstatierte Aleksi Kara.
    Von Emmas Schicksal abgesehen hatte Betha in allem vollkommen recht gehabt, sagte sich Kara. »Das ist demzufolge genau so abgelaufen, wie sie es geplant hatten. Sie wollten dich für ihre Forschungsgruppehaben und ich sollte am Leben bleiben, um zu behaupten, die ganze Familie sei umgebracht worden.«
    »So hat man es mir gesagt«, versicherte Aleksi Kara. »Aber du hast natürlich versucht zu fliehen, und dann ist ein Unfall passiert – Manas hat dich versehentlich in den Kopf geschossen.«
    Jetzt ist das Maß allmählich voll, dachte Kara, das war einfach zu viel, das konnte man nicht auf einen Schlag verdauen, er wollte über all das allein und in Ruhe nachdenken.
    Es schien so, als hätte Aleksi Kara die Gedanken seines Sohnes gelesen. Er beugte sich vor und legte die Hand auf Leos Bein. »Du bist ein junger Mann und hast noch viel Zeit für alles Mögliche. Lass es jetzt hier ein halbes Jahr lang ganz ruhig angehen und lebe danach weiter, so wie du es willst.«
    Das ist unmöglich, dachte Kara. Er würde nicht einmal sechs Tage in der Zelle überstehen, ohne den Verstand zu verlieren, ganz zu schweigen von sechs Monaten. »Schauen wir mal«, sagte er und bemühte sich um einen Gesichtsausdruck, der Zustimmung zeigte.
    Aleksi Kara ging zur Tür und schlug zweimal mit der Faust auf das Stahlblech, dass es dröhnte. Nach einer Weile hörte man Schritte, dann öffnete sich die Tür und er trat hinaus auf den Flur.
    Leo Kara dachte über das nach, was er gehört hatte, und über all das, was ungesagt geblieben war.
    * * *
    Doktor Andrej Rostow empfing Anton Moser im Forschungszentrum von Schaan buchstäblich mit offenen Armen. Die beiden Männer umarmten sich wie Bären und küssten sich auf die Wangen – erst links, dann rechts und noch einmal links.
    »Du hast ausgezeichnete Arbeit geleistet, Anton«, lobte Rostow. »Das muss gefeiert werden, deine Zeit als Rentner beginnt heute.« Er deutete auf den gedeckten Tisch im

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