Rot
gebracht. Von dort bin ich tausendzweihundert Kilometer über Ylitornio nach Umeå gefahren, an der Grenze zwischen Finnland und Schweden gibt es ja keine Formalitäten. Von Umeå bin ich nach Malmö geflogen, dann mit dem Zug zum Flughafen Kastrup gefahren und von dort nach Zürich geflogen. Und jetzt will ich hören, weshalb man mich aus Finnland abgezogen hat, obwohl mir für Leo Kara ein Auftrag erteilt worden ist?« Zum Schluss hob Manas die Stimme, er war zwar nicht fähig, Verärgerung zu empfinden, aber er wusste, dass Rostow einen gebrüllten Satz eher glaubte, als einen in normaler Lautstärke.
»Dieser Auftrag wurde annulliert. Leo Kara ist hier, er leistet uns Gesellschaft. Er stellt für niemanden mehr irgendeine Gefahr dar«, erklärte Rostow.
Es dauerte einen Augenblick, bis Manas Rostows Worte begriffen hatte. Kara war also hier, zum Greifen nahe, und er konnte nichts anderes tun als abwarten.
Rostow deutete auf den Beratungstisch. »Du bist sicher hungrig.«
»Ich bin müde«, erwiderte Manas und verließ den Raum. Er fuhr mit dem Aufzug ins Erdgeschoss hinunter, ging bis ans Ende eines langen Flures und trat hinaus auf einen der großen Innenhöfe des Forschungszentrums. Seine Sachen bewahrte er in einer Baubaracke auf, die damals im August leer gestanden hatte, als er seine Utensilien aus dem Forschungszentrum in Weißrussland hierher bringen musste. Er wollte auch weiterhin getrennt von den anderen wohnen und seine Ruhe haben.
Neben dem schmalen Feldbett befanden sich in der Baracke nur ein Stuhl, eine Kochplatte, Bücherstapel, zwei Beutel mit Kleidungsstücken sowie ein Waffen- und Zubehörschrank. Er öffnete ihn und vergewisserte sich, dass niemand an dessen Inhalt herumgefingert hatte; das funkelnagelneue Zielfernrohr Digital Hunter wartete immer noch auf seinen ersten Einsatz. Kara wollte er allerdings nicht mit einem Schuss aus der Ferne erledigen, dieser Mann bekäme seine exquisitesten Methoden zu spüren. In der nächsten Zeit würde sich herausstellen, ob er jemals die Gelegenheit erhielt, seine Absicht zu verwirklichen.
Manas zog seine Schuhe aus, hockte sich hin und suchte aus seinem Bücherstapel Ervin Staubs The Psychology of Good and Evil heraus. Er hatte sich kaum hingelegt, da klopfte es an der Tür und Andrej Rostow steckte den Kopf herein.
»Anscheinend hättest du den Kara-Auftrag lieber bis zu Ende ausgeführt«, sagte Rostow und trat herein, da es der Kirgise nicht verbot.
»Das will ich schon lange, der Mann weiß zu viel. Alle anderen Hindernisse sind aus dem Weg geräumt, aber Kara nicht. Hast du dafür gesorgt, dass man ihn hierher in Sicherheit gebracht hat?«
Rostow antwortete nicht. »In ein paar Monaten hat keiner mehr Verwendung für seine Informationen. Außerdem kannst du ihn zusammen mit Mironow verhören. Allerdings zivilisiert. Wir müssen klären, was er weiß. Und ich beteilige mich nicht an … so etwas.«
Manas nickte.
»Und Anton Moser kannst du erledigen, wie du es für richtig hältst, am besten langsam«, fügte Rostow hinzu und verließ die Baracke.
Manas blätterte um, las die Überschrift »Unnötige Grausamkeit« und sah das Gesicht von Andrej Rostow vor sich.
* * *
»Alan Beckley ist verschwunden«, meldete Colleen Carter im Lagezentrum Betha Gilmartin, die sofort zum Hörer griff und den Chef des MI5 anrief. Eine knappe Minute dauerte es, bis John Elliott am Telefon war, und fast fünf Minuten brauchte er, um das Versagen seiner Mitarbeiter zu entschuldigen. Beckley hatte im Bad Porchester Spa die Sachen gewechselt, worauf der MI5 natürlich vorbereitet gewesen war, aber Beckley hatte auch sein Portemonnaie und seine Schuhe, die mit Sendern versehen waren, und alle anderen persönlichen Gegenstände in der Umkleidekabine zurückgelassen. Die Männer vom MI5 waren einem Mann, der genau wie Beckley aussah, vom Bad bis nach Lambeth gefolgt und erst misstrauisch geworden, als er mit seinem Schlüssel die Haustür in einem großem Mietshaus öffnete, mit dem der richtige Alan Beckley nach ihren Informationen nichts zu tun hatte.
Betha Gilmartin knallte den Hörer hin, mitten in Elliotts Erklärungen, und wollte gerade losbrüllen und die Ermittlungsgruppe zu sich rufen. Aber sie kam nicht dazu, weil Colleen Carter vor ihr den Mund aufmachte.
»Es gibt weitere Nachrichten, gute und schlechte. Die vom FSB geschickte Namensliste wird sorgfältig überprüft, es sieht so aus, als wäre sie echt. Zumindest der Erste Stellvertretende Chef des
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