Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rot

Rot

Titel: Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
Vom Netzwerk:
verstand Kara, wie viel er wegen der Ereignisseim Herbst 1989 aus seinem Kopf verbannt hatte, wie krank ihn diese Oktobertage gemacht hatten.
    Sobald er den Flur der Wohnung betrat, wurde ihm klar, dass etwas nicht stimmte. Im Wohnzimmer war es finster. Kati saß schweigend auf dem Sofa und starrte vor sich hin. Erstaunt stellte er fest, dass sich sein Puls schon allein durch Katis Anblick beschleunigte.
    »Jukka Ukkola ist nicht Vilmas Vater«, sagte sie.
    Kara zog die Schuhe und den Mantel aus, setzte sich in den Sessel und versuchte zu verstehen, was er gerade gehört hatte. »Wie ist das möglich?«, fragte er schließlich, weil ihm nichts anderes einfiel.
    »Er hat gesagt, er wäre steril. Ziegenpeter und Hodenentzündung im Teenageralter.«
    Kara kniff die Augen zusammen, um Katis Gesicht zu erkennen. »Hast du das heute erfahren?«
    Sie antwortete nicht.
    »Weißt du, wer Vilmas Vater ist?«
    »Allmählich wird mir das alles zu viel.« Kati Soisalo schloss die Augen, fuhr mit der Hand durch ihr kurzes Haar und atmete tief durch. Es dauerte eine Weile, bis sie darüber reden konnte. »Das ist Anfang Oktober vor sieben Jahren passiert. Ich hatte Ukkola im Sommer kennengelernt und war im September zu ihm nach Pitäjänmäki gezogen. Kurz darauf habe ich bemerkt, dass mit diesem Arschloch irgendetwas absolut nicht stimmte. Sein wahrer Charakter kam ans Licht, er wurde überheblich und versuchte, mich bei jeder Gelegenheit zu tyrannisieren.« Kati Soisalo sprach so leise, dass Kara angestrengt hinhören musste.
    »An jenem Abend ist dieses Schwein das erste Mal handgreiflich geworden. Ich habe ihm gesagt, dass ich mit meiner Schwester in die Stadt essen gehe, daraufhin kriegte er einen Wutanfall. Er hat mich an den Haaren gezogen und geschlagen.«
    Kara wartete schweigend darauf, dass Kati weiter erzählte.
    »Ich war furchtbar wütend auf Ukkola. Mit Mari haben wir dann in dem Restaurant bis nach Mitternacht gefeiert, ich habe mich betrunken fast bis zum Filmriss und bin dann in Eira gelandet, wo noch weitergefeiert wurde. Offenbar habe ich dort mit jemandem geschlafen, allerdings weiß ich von dieser ganzen Nacht so gut wie nichts mehr, ich hatte auch keine Lust, mich daran zu erinnern. Damals wollte ich mich einfach an Ukkola rächen, ich weiß noch, dass ich schon am frühen Abend mit allen geflirtet habe.« Kati Soisalo schüttelte den Kopf und wich Karas Blick aus. »Am nächsten Tag bereute Ukkola natürlich, was er getan hatte, und brachte mich soweit, dass ich mich mit ihm versöhnte, darin war er sehr geschickt, so wie jeder Narzisst. Er nutzte meinen moralischen Kater aus. Ich wollte diese Nacht einfach möglichst schnell vergessen. Und das gelang mir auch ohne große Mühe, weil ich ja so gut wie nichts mehr davon wusste. Ein Verhalten wie eine Dame ist das nicht gerade, stimmt’s?« Kati Soisalo sah total niedergeschlagen aus.
    »Weißt du, wer Vilmas Vater ist?«, erkundigte sich Kara noch einmal.
    »Keine Ahnung, wirklich. Zumindest kann es niemand sein, der verrückter als Ukkola ist«, erwiderte Kati Soisalo und geriet wieder in Rage. »Überleg mal – Ukkola hat all die Jahre gewusst, dass er nicht Vilmas Vater ist!«
    »Das ist keine Erklärung für sein Verhalten. Ukkola ist psychisch krank«, konstatierte Kara. Seine Augen hatten sich mittlerweile so an das dämmrige Licht gewöhnt, dass er Katis verweintes, verzweifeltes Gesicht sah. Er setzte sich aufs Sofa und nahm sie in den Arm. Er fragte sich, wer wen tröstete, nun, da ihrer beider zerrissene Seelen nach Erleichterung suchten.
    Kara wachte mit einer Erektion auf, gerade als der Lichtkegel eines Autoscheinwerfers über das Fenster von Kati Soisalos Schlafzimmerhuschte. Die leuchtenden Zeiger des Weckers verrieten, dass es kurz nach fünf Uhr war. Im selben Augenblick klapperte der Briefschlitz und die Zeitung plumpste auf den Teppich im Flur, dann ratterten die Schritte des Zeitungsausträgers die Stufen hinunter und die Haustür fiel ins Schloss. Kara wusste, er würde kein Auge mehr zutun; wenn sein Gehirn auf Hochtouren lief, wurde er immer um diese Zeit wach.
    Er zog die Unterhose an, trat in den Flur und machte das Licht an. Dann bückte er sich nach der Zeitung, schlurfte in die Küche und setzte sich an den Tisch, um zu lesen. In dem Augenblick summte sein Telefon etliche Male, das Zeichen für den Eingang mehrerer Nachrichten. Sie stammten von einer unbekannten Nummer.
    Leo, endlich ist es mir gelungen, eine Person zu finden,

Weitere Kostenlose Bücher