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Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild

Titel: Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaye Wells
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jeden Moment die Messdiener zum mitternächtlichen Gebet erscheinen würden. Einen Augenblick lang verharrte ich noch. Ich wartete. Auf ein Zeichen des Abschieds. Auf irgendetwas.
    »Großmutter«, sagte ich schließlich. »Was wisst Ihr über das Praescarium Lilitu ?«

    Sie wirbelte herum und sah mich scharf an. »Warum interessiert du dich für diesen Unsinn?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Jemand hat es im Zusammenhang mit der Nod-Kaste erwähnt.«
    »Warum verschwendest du meine Zeit mit solchen blödsinnigen Fragen, Sabina? Das Praescarium Lilitu ist ein Märchen. Ein Mythos. Es gibt keine Kaste.«
    Ich nickte. »Verstehe. Dann ist das Muttermal auf meiner Schulter also kein Kastenzeichen?«
    Sie schwieg einen Augenblick. »Mit wem hast du gesprochen?«, fragte sie schließlich.
    Der Zorn in ihrer Stimme ließ mich aufhorchen. »Ach, nur mit irgendeinem Typen. Er meinte, der achtzackige Stern sei das Zeichen der Kaste.«
    »Hast du diesem Typen, wie du ihn nennst, von deinem Muttermal erzählt?«
    Sie klang angespannt, und ich hatte das Gefühl, als sei meine Antwort wichtig.
    »Nein.«
    »Gut. Was habe ich dir gesagt?«, erinnerte sie mich und trat näher. »Dieses Muttermal ist wie ein Neonschild, das deine Herkunft in alle Welt hinausschreit. Du solltest es lieber für dich behalten.«
    Ich verstand nicht, warum ich mein Muttermal geheim halten sollte. Schließlich waren mein gemischter Geruch und meine schwarzroten Haare mehr als eindeutig. Die Schattengeschlechter wussten sowieso meist sofort, dass kein reines Blut in meinen Adern floss. Aber es war auch eindeutig, dass meine Großmutter keine Lust hatte, weiterzusprechen.
    »Wie gesagt, ich war nur neugierig. Tut mir leid, wenn ich Eure Zeit verschwendet habe.«

    Sie winkte majestätisch ab. »Du solltest jetzt gehen, Sabina.«
    Ich wandte mich ab, um durch die Tür zu verschwinden, die sich unter dem Wandteppich hinter dem Altar verbarg. Auf dem Gobelin war die erste Zusammenkunft von Lilith und Kain abgebildet, die zur Geburt des Vampirgeschlechts geführt hatte. Zum ersten Mal bemerkte ich die Schlange, die sich in einem Baum hinter dem Liebespaar zeigte. Die erotische Darstellung hatte mich mein ganzes Leben lang begleitet – umso mehr wunderte ich mich, dass ich die Schlange noch nie zuvor wahrgenommen hatte.
    Ich schüttelte das seltsame Gefühl ab, das mich auf einmal erfüllte, und schlug den Wandteppich beiseite, um in dem Geheimgang zu verschwinden.
    »Sabina.« Die Stimme meiner Großmutter ließ mich innehalten. Ich drehte mich mit hochgezogenen Brauen zu ihr um. »Ich muss dich hoffentlich nicht an die Wichtigkeit dieses Auftrags erinnern. Enttäusche mich nicht, Kind. Es ist schon beschämend genug für mich, dass deine Herkunft es dir nicht erlaubt, den Dienst im Tempel anzutreten. Da möchte ich mich nicht auch noch für deine Unfähigkeit schämen müssen.«
    Mit größter Mühe schluckte ich die Widerworte herunter, die in mir aufstiegen. Es wäre sowieso sinnlos gewesen, sie daran zu erinnern, dass ich diesen Pfad nicht freiwillig eingeschlagen hatte. Als ich volljährig geworden war, hatte man mir eröffnet, dass mich meine Herkunft davon abhielt, Messdienerin im Tempel zu werden. Stattdessen beschlossen die Dominae, dass ich den einzigen Beruf ergreifen sollte, der einem Mischling offenstand. Also wurde ich zur Auftragsmörderin ausgebildet und das
trotz der Tatsache, dass meine Mutter einem der ältesten und edelsten Vampirgeschlechter angehört hatte. Auftragskiller wurden normalerweise nur Vampire von niederer Geburt, denen die Außenseiterrolle, den dieser Beruf mit sich brachte, nichts ausmachte. Da mir nichts anderes übrigblieb, akzeptierte auch ich nach einer Weile meinen Paria-Status. Ich war verdammt gut in meinem Job und wurde für die Dominae bald unentbehrlich. Trotzdem ärgerte ich mich immer wieder über die Tatsache, dass mir nie eine echte Wahl geblieben war, wie ich mein Leben gestalten wollte.
    »Schon verstanden.« Irgendwie gelang es mir, nicht wütend zu klingen. Meine Großmutter nickte kurz und wandte sich dann wieder ihrer Aufgabe zu. Ich konnte mich als entlassen betrachten.
    Während ich den Tempel durch den Geheimgang verließ, füllte Staub meine Lunge, so dass es mir schwerfiel, zu atmen. Zumindest redete ich mir ein, dass es am Staub lag.

9

    Als ich an diesem Abend nach Hause kam, lag Giguhl auf der Couch und trug meinen geliebten pinkfarbenen Morgenmantel aus Seide.
    »Hübscher Mantel«, meinte

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