Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild
sprang ich auf und tigerte nervös durchs Zimmer. Ich suchte dringend nach etwas, womit ich meine Hände beschäftigen konnte.
Seinem Bücherregal nach zu urteilen, interessierte sich Clovis für die spanische Inquisition – eine Tatsache, die meine Nerven nicht gerade beruhigte. Er besaß außerdem eine große Anzahl an Zauberbüchern, von denen viele schon ziemlich abgenutzt aussahen. Um mich abzulenken, blätterte ich in einigen von ihnen herum und suchte dabei nach einem Umkehrzauber, der mir mit Giguhl weiterhelfen würde. Dummerweise waren die meisten Zaubersprüche in einer Sprache verfasst, die Sumerisch sein könnte. Trotzdem entschloss ich mich, mir ein paar der Bücher zu »borgen«.
Wenige Minuten, nachdem ich die Bücher in meiner Tasche versteckt hatte, wurde die Tür geöffnet und Frank steckte den Kopf ins Büro. Mit ernster Miene bat er mich, ihm zu folgen. Er führte mich durch ein Labyrinth aus Korridoren, wo uns einige Wachmänner begegneten, sonst aber niemand. Als wir uns schließlich einer Doppeltür näherten, stellten sich mir die Nackenhaare auf. Dieser Ort roch deutlich anders als die Räume, die ich bisher gesehen hatte. Es war zwar schon einige Zeit her, dass ich das letzte Mal Sex gehabt hatte, aber es roch zweifelsfrei danach – wild und süß zugleich. Ich wusste instinktiv, dass wir jetzt Clovis’ Privatgemächer betraten.
Frank blieb vor der Tür stehen. Ich betrachtete die
Holzpaneele, während er erneut eine Augenbinde aus seiner Tasche zog.
»Drehen Sie sich um«, sagte er mit leiser Stimme. Ich starrte ihn einen Moment lang an. Was hatte dieser Kerl nur ständig mit seinen Augenbinden? Ich hatte doch bereits gesehen, wie man hierhergelangte. Wieso brauchte ich jetzt noch eine Binde vor den Augen? In seiner Miene war keinerlei Regung zu erkennen. Ich überlegte eine Weile, doch mir blieb keine andere Wahl. Also nickte ich und drehte ihm dann mit hoch erhobenem Kopf den Rücken zu. Zumindest wollte ich nicht unterwürfig wirken. Wenn ich mich schon so weit erniedrigen musste, dann wollte ich wenigstens sicherstellen, dass ich nicht meinen ganzen Stolz verlor. Großmutter hätte sich bestimmt über meine Haltung gefreut.
Als der schwarze Stoff meine Augen bedeckte, wurde es Nacht um mich. Frank band die Binde fest zu, aber ohne dass sie mir in die Haut geschnitten hätte. Ich rollte mit den Augen, um mich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Nicht der kleinste Lichtstrahl war zu erkennen.
Dann spürte ich Franks Hand auf meiner Schulter. Die Türen vor uns öffneten sich mit einem leisen Knarren. Ein leichter Windzug strich mir übers Gesicht und ließ die Gerüche fleischlicher Begierden noch deutlicher werden.
Selbst mit der Augenbinde war mir klar, dass es sich um einen großen Raum handelte. Unsere Schuhe hallten auf dem Boden wider. Da ich mich nicht von Frank leiten lassen wollte, ging ich erhobenen Kopfes und sicheren Schrittes vorwärts. Das Echo meiner Absätze verriet mir, dass wir auf Marmorboden gingen, was auch zur kühleren
Luft im Raum passte. Ich war bereits ein paar Schritte gegangen, als Frank mir mit der Hand zu verstehen gab, dass ich stehen bleiben sollte.
»Keine Bewegung«, flüsterte er mir ins Ohr. Dann hörte ich, wie sich seine Schritte entfernten. Als die Türen hinter mir ins Schloss fielen, nahm ich an, dass ich allein war. Ich versuchte, ruhig zu bleiben und trotzdem auf alles gefasst zu sein. Ein unbekanntes Gefühl der Verletzbarkeit hing mir wie eine Schlinge um den Hals. Als mir klarwurde, dass meine Hände nicht gefesselt waren, entschied ich mich, Franks letzte Anweisung zu ignorieren und mir für einen Moment die Augenbinde vom Gesicht zu ziehen.
»Muss ich deine Hände auch fesseln lassen?«
Ich zuckte erschreckt zusammen, als Clovis’ Stimme an mein Ohr drang. Er war unangenehm nahe. Während ich meine Hand wieder langsam sinken ließ, ärgerte ich mich, dass ich seine Gegenwart nicht früher bemerkt hatte. Die Tatsache, dass er mich erwischt hatte, machte mich noch unsicherer. Ich begann Zweifel an meinen Fähigkeiten zu hegen, verdrängte sie aber sogleich wieder.
»Sabina.« Er atmete ein. Eine warme Hand umfing meine Wange. Ich riss unwillkürlich den Kopf zur Seite, wobei ich innerlich über meine Nervosität fluchte. Langsam holte ich tief Luft. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass Clovis den Geruch ausstrahlte, den ich zuvor gerochen hatte. Er roch nach Sex – fast so, als sende sein Körper narkotisierende Pheromone
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