Rote Sonne - heisse Kuesse
durchstehen. Sein Gesicht wirkte müde, als er sich ihr zuwandte, doch die Krankheit hatte seinen intelligenten Blick nicht trüben können.
„Du bist eine sehr begabte Künstlerin. Daran besteht kein Zweifel“, sagte er entschieden.
„Danke.“ Sie lächelte und bemühte sich, ihre Angst vor möglichen kniffeligen Fragen zu verbergen.
„Außerdem eine aufmerksame und sensible Beobachterin.“
Sie schwieg, obgleich sie sich innerlich unter seinem forschenden Blick wand. Sie durfte nicht noch mehr von sich verraten. Dantes Porträt sprach Bände.
Marco hielt die Bilder noch immer in den Händen und betrachtete sie eingehend. Dann sagte er leise: „Beide sagen sehr viel aus. Ich weiß nicht, ob es beabsichtigt ist.“ Wieder dieser forschende Blick. „Und vielleicht sagen sie mir mehr über dich als über Dante und Lucia.“
„Nein, bestimmt nicht.“ Sie schüttelte den Kopf und überlegte hektisch, wie sie den Kopf aus der Schlinge ziehen konnte. „Ich weiß, wie sehr Dante dich liebt. Das wollte ich zeigen.“
Er nickte, doch sie war sich nicht sicher, ob sie ihn überzeugt hatte.
„Liebe … ja“, murmelte er. „Danke, mein Liebes. Es tut gut, sich daran zu erinnern.“
Eine Welle der Erleichterung durchströmte sie. Er brachte die Gefühle nicht mit ihr in Verbindung. Sein Blick wanderte zu dem anderen Bild.
„Lucia hast du völlig anders dargestellt.“
„Ich wollte damit nicht andeuten, dass sie dich nicht liebt“, beeilte sie sich zu sagen, um den alten Mann nicht zu verletzen.
Er schüttelte den Kopf, und ein ironisches Lächeln umspielte seine Lippen. „Ich bezweifle, dass Lucia irgendjemanden liebt. Sie ist viel zu sehr von sich selbst eingenommen.“
„Ist das denn ihre Schuld?“ Es war ausgesprochen, bevor Jenny die Kritik, die ihre Worte beinhalteten, bemerkte. Sofort bemühte sie sich, das Gesagte abzuschwächen. „Nach allem, was sie gestern Abend erzählt hat, ist ihr Leben nicht gerade einfach gewesen. Häufige Umzüge und Schulwechsel, immer im Schlepptau ihrer Mutter. Ich halte sie für sehr unglücklich.“
„Ja, das ist sie bestimmt.“ Er seufzte. „Wenn meine Isabella länger gelebt und Sophia zur Seite gestanden hätte, dann wäre sie vielleicht eine bessere Mutter gewesen. Zuverlässiger und beständiger im Umgang mit Lucia.“ Er verzog das Gesicht. „Leider waren Sophias Ehemänner lausige Väter. Keiner von ihnen hat etwas getaugt.“
Nachdenklich sah er Jenny an. „Was in meiner Macht stand, habe ich für Lucia getan. Sie hatte alle Möglichkeiten, etwas aus ihrem Leben zu machen, einen Beruf zu ergreifen und sich nicht nur auf dem Polster unseres Vermögens auszuruhen. Leider hat sie sich nie für etwas begeistern können. Und solange sie das nicht tut, wird sie ihr Glück nicht finden. Daran kann ich nichts ändern. Doch sei gewarnt, mein Liebes. Sie wird jede Gelegenheit nutzen, dich niederzumachen. Dein gutes Herz ist für sie nur ein Zeichen von Schwäche.“
„Aber warum? Ich habe den Eindruck, dass sie sich einsam fühlt, nicht genug beachtet. Es tut mir leid, wenn ich anmaßend erscheine …“
„Nein, du hast völlig recht. Lucia ist sehr geschickt darin, genau dieses Bild von sich zu zeichnen. Schon als kleines Mädchen hatte sie diesen zerstörerischen Zug an sich. Sie ist kein einsames Kind gewesen. Eher ein enfant terrible , das gern Verwüstung hinterlässt.“
„Nur weil sie sich nach Beachtung sehnt?“ Jenny versuchte zu begreifen, woher dieses zerstörerische Verhalten kam.
„Ja, sie muss immer im Mittelpunkt stehen. Wie sich ihr Benehmen auf andere auswirkt, ist ihr völlig egal. Sie hat schon immer versucht, ihre Mitmenschen zu manipulieren. Ich halte das für eine Persönlichkeitsstörung, die sie vermutlich von ihrem Vater geerbt hat, der ein skrupelloser Mensch war. Ich weiß es nicht. Ich kann nur sagen, was ich beobachte. Trotz allem gehört Lucia zur Familie, und ich werde nie wieder ein Familienmitglied fallen lassen. Wenn ich nicht mehr bin, wird Dante sich um sie kümmern.“
Jenny runzelte die Stirn. Das Verhältnis zwischen Cousin und Cousine war sehr angespannt, so viel wusste sie. „Das wäre doch eigentlich die Aufgabe ihrer Mutter.“
„Oh, ich bin sicher, Lucia wird ihre Mutter nach allen Regeln der Kunst ausnehmen. Aber in letzter Instanz entscheidet Dante darüber, wie viel sie erhält. Und er weiß, wo er die Grenze ziehen muss. Seiner Autorität wird sie sich beugen müssen.“
Und nicht zum ersten
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