Rote Spur
ohrenbetäubend laut, ein Stern in der Windschutzscheibe, sie schoss noch einmal. »Siehst du, ich kann auch schießen!« Doch er trat mit voller Wucht auf die Bremse, sie wurde nach vorn geschleudert, die Reifen des Nissans quietschten, sie kamen von der Straße ab und holperten über Sand und Gras auf dem Randstreifen. Er ließ das Lenkrad los, griff nach der Waffe und riss sie ihr aus der Hand. Sie schlug mit geballten Fäusten auf ihn ein, getrieben von der Wut eines ganzen Lebens, während er versuchte, sich mit den Armen zu schützen.
Sie weinte, schlug und schrie. Tiefe, unmenschliche Laute drangen aus ihr hervor und erfüllten das Innere des Wagens. Und er saß einfach nur da und ertrug es.
»Ich glaube, ich weiß, wie sie es gemacht haben«, verkündete Rajhev Rajkumar. »Sie benutzen die LRIT- und AIS-Transmit ter eines anderen Schiffes.«
»Wie soll das funktionieren?«, fragte Mentz.
»Das SOLAS-Abkommen hat ein paar Lücken. Man muss sich vor Augen halten, dass die Schiffseigner den Kurs ihres Schiffes verfolgen und die SOLAS-Behörden lediglich die Authentizität des Signals mit der globalen Position vergleichen. Angenommen, Sie sind ein Reeder in … Durban, nur mal theoretisch, der einige Schiffe im Indischen Ozean unterhält. Ich gehe zu Ihnen und sage: ›Mein islamischer Bruder, ich würde mir gerne die AIS-Identität eines deiner Schiffe für etwa einen Monat ausleihen und würde dich für deine Mühe angemessen entlohnen. Dann installiere ich die Geräte auf der
Madeleine
, und Sie verschließen beide Augen vor den Bewegungen Ihres AIS-Signals. SOLAS erfährt nichts, weil das Signal für die |419| Route gilt, die Sie ihnen übermittelt haben. Alles sieht koscher aus …‹«
»Und das Originalschiff? Das wird man doch im System erkennen, weil es nicht sendet. Die CIA hätte es ausfindig gemacht.«
»Nur, wenn Ihr Schiff tatsächlich auf dem Wasser ist.«
»Aber …«
»Schiffe müssen gewartet, neu gestrichen und repariert werden, in Trockendocks. Und darüber sind nur die Hafenbehörden informiert.«
Mentz dachte über das Argument nach und sagte schließlich: »Sie wissen, dass Sie ein brillanter Mann sind, oder?«
Rajkumar nickte bescheiden. »Wir können die Suche nach dem Schiff aber anhand einiger Faktoren eingrenzen. Der Hohe Rat muss mit jemandem zusammengearbeitet haben, den sie kannten und dem sie vertrauten. Das AIS muss sich im Prinzip auf einem Schiff mit Ankererlaubnis in südafrikanischen Häfen befinden, das normalerweise im Indischen Ozean unterwegs ist, bis hinauf ins Arabische Meer, und es muss ein Schiff mit ungefähr derselben Tonnage sein wie die
Madeleine
, vorzugsweise ein Fischtrawler.«
»Fangen wir mit der Suche an!«
Schweigend setzten sie ihren Weg fort. Die einzigen Geräusche stammten von dem Brausen des Windes durch das Loch in der Windschutzscheibe und dem offenen Seitenfenster. Sie fuhren erst die R27 in Richtung Norden und bogen dann an der Ampel in Melkbos rechts ab zur N7.
Milla starrte hinaus zu den Kornfeldern, die im Halbdunkeln lagen. Sie war leer, sie hatte alle Gefühle herausgelassen. Nach ihrem Ausbruch war sie zur Ruhe gekommen; geblieben war ein kleiner, harter Kern der Empörung und Entschlossenheit. Das Gesicht von Lukas abgewandt, ruhig, entschlossen und laut genug, um sich über die Windgeräusche hinweg verständlich zu machen, sagte sie: »Das Schiff trifft früher ein.«
Er reagierte verzögert. »Nein, Milla.«
|420| »Es ist noch eine E-Mail für Osman angekommen. Ich habe mein Handy an den Rechner gekoppelt und bin ins Internet gegangen. Ich weiß auch, was sie befördern.«
»Was denn?«
Sie spielte ihren Trumpf aus. »Ich komme mit.«
»Nein.«
Sie starrte ihn wortlos an.
Er wurde wütend. »Hast du das gesehen? Sie haben auf uns geschossen!«
»Du hast nicht das Recht, über mein Leben zu bestimmen. Kein Mann darf das.«
»Herrgott, Milla.«
»Du wirst mich nicht ausschließen.«
»Wann kommt das Schiff an?«
Sie ignorierte ihn. Er fuhr schweigend weiter. Nach einer ganzen Weile sagte er: »Okay.«
»Sag es.«
»Du kommst mit.«
»Ich kann dich nicht hören.«
»Du kommst mit. Wir werden das Geld holen.«
»Gibst du mir dein Ehrenwort?«
»Ja.«
Sie wartete, bis er sie ansah, und versuchte einzuschätzen, ob er es ehrlich meinte. »Es kommt heute Nacht um 2:00 Uhr an.
Ankunft von Madeleine und Haidar jetzt 24 Stunden früher, um 02:00 Uhr.
Am selben Ort, mit denselben Koordinaten. Ich weiß
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