Rote Spur
Zigarette. »Ich war Parlamentskorrespondentin für die
Times
. Aber dann bin ich mit einem hochrangigen Regierungsmitglied ins Bett gegangen. Frag mich nicht, wer, ich sag’s dir sowieso nicht. Zwei Jahre lang hatten wir eine Affäre. Bis uns seine Frau in flagranti erwischte. Großes Drama. Hysterischer Anfall, Bombardement mit kleineren Haushaltsgegenständen, äußerst charmante Morddrohungen. Sie ließ mich feuern, er verschaffte mir den Job bei der Agentur. Was hatten wir für tollen Sex! Übrigens: Wann hattest du eigentlich zum letzten Mal …?«
»Wer, ich?«
»Ja, du.«
»Was, tollen Sex?« Milla war ein wenig erschrocken. Hatte sie das wirklich gesagt?
»Genau.«
»Keine Ahnung.«
»Du hast keine Ahnung?«
»Nein. Ich glaube, ich hatte noch nie tollen Sex.«
»Noch nie?«
»Hm, was heißt nie … Ich glaube, das erste Mal war ziemlich gut.«
»Mit deinem Ehemann.«
»Meinem Exmann.«
»Du hast bisher nur mit einem Mann geschlafen?«
»Tja, weißt du … Ich bin schwanger geworden, wir mussten heiraten …«
|78| »Ach du Scheiße!«
»Tja.«
»Warum hast du dir keinen Liebhaber genommen?«
»Das … Na ja … Ich glaube nicht … Ich weiß nicht …«
»Hast du nie etwas riskiert?«
»Nein.«
»Und jetzt? Wie lange bist du schon Single? Seit zwei Monaten?«
»Ich habe …«
»Du hast Zeit vergeudet.«
»Kann schon sein.«
»Möchtest du, dass ich dich jemandem vorstelle?«
»Nein!«
Jessica sah Milla nachdenklich an. »Ich liebe hoffnungslose Fälle. Wir haben eine Menge Arbeit vor uns.«
Milla lachte.
»Wenn du wüsstest, wie viel Spaß es macht, eine Jägerin zu sein!«
»Eine Jägerin?«
»Ich, meine liebe Milla, bin eine bekennende, unerschrockene … nein, stolze Jägerin. Eine Verführerin jüngerer Männer. Anfang zwanzig. Schlank, rücksichtslos, hungrig, KALT.«
»KALT?«
»Keine Altlasten. Die ideale Lösung. Muskulöse junge Körper, Stehvermögen, leicht entflammbar. Und genauso bindungsscheu wie ich. Vergnügen ohne Reue.«
»Aha.«
»Ich nehme dich mit und zeige dir, wie es geht.«
»Nein, Jessica. Nein und nochmals nein.«
Operation Shawwal
Mitschrift: Abhörprotokoll M. Strachan. Daven Court Nr. 14, Davenpoortstraat, Vredehoek
Datum und Uhrzeit: 7. Oktober, 23:32
MS: Christo war attraktiv. Du kannst dir vielleicht vorstellen, |79| wie das ist, wenn in dem Alter ein attraktiver Typ ausgerechnet dich unter all den anderen auswählt und deine Freundinnen ganz aus dem Häuschen sind. Ich hatte nicht besonders viel Selbstvertrauen, ich war so … erleichtert, dass er sich für mich interessierte. So … dankbar. Er war so … Er kam mir so erfahren vor, so selbstsicher. Ich weiß nicht, ob ich je in ihn verliebt war. Aber vielleicht mache ich mir auch nur etwas vor. Ich war an dem Abend betrunken. Es war Karneval. Alle waren betrunken. Das soll keine Entschuldigung sein, irgendwann hätte ich sowieso mit ihm geschlafen. Ich war bereit dazu, ich wollte ihn haben, ich wollte wissen, wie es sich anfühlt …
(13. September 2009. Sonntag.)
Milla erwachte erst nach zehn aus ihrem alkoholvernebelten Schlaf. Bruchstücke des vorherigen Abends schwirrten ihr durch den Kopf. Jessicas sinnliche, trunkene Stimme.
Wir sind alle Ausschuss.
Du bist die weggelaufene Hausfrau.
Du hast nur mit einem Mann geschlafen?
Du hast nie etwas riskiert?
Meine Güte, hatte sie sich wirklich auf ein solches Gespräch eingelassen?
Hatte sie. Mehr noch. Sie hatte ihre Geschichte erzählt, spätabends, die ganze Wahrheit, weinselig-sentimental. Jessica hatte ihre Hand gehalten und mit ihr geweint. An das alles erinnerte sie sich jetzt, und Wellen der Scham schwappten über sie hinweg.
Als Nächstes die Sorge: Wie war sie nach Hause gekommen? Sie konnte sich nicht daran erinnern.
Sie sprang auf, sah zum Fenster hinaus und sah ihren Renault Clio am Straßenrand stehen. So recht konnte sie sich jedoch nicht darüber freuen, denn in dem Moment setzten die hämmernden Kopfschmerzen ein. Sie schlüpfte zurück ins Bett und zog sich die Decke über den Kopf. Sie war betrunken nach Hause gefahren, |80| sie hätte einen Unfall … Sie hätte ins Gefängnis wandern können! Welche Genugtuung für Christo! Was hätte sie ihrem Sohn damit angetan! »Die besoffene Frau in der Zeitung, war das deine Mutter? Die, die abgehauen ist?«
Sie konnte sich so etwas nicht erlauben.
Sie quälte sich mit Gewissensbissen, bis sie sich entschied, vor ihnen zu flüchten. Vorsichtig stand sie
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