Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roter Drache

Roter Drache

Titel: Roter Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
Vom Netzwerk:
Polizei von Chicago hatte die FBI-Abteilung für Verhaltensforschung um ein detailliertes Persönlichkeitsprofil der Opfer gebeten. Ein Sprecher der Polizei ließ verlauten, man wolle aufgrund dessen während der Zeit des Vollmonds gezielt zusätzliche Polizeipatrouillen einsetzen.
    »Die wollen sich damit nur selbst absichern«, schnaubte Crawford. »Die Opfer waren lauter wohlhabende Leute; entsprechend werden sie den Polizeischutz in den Vierteln der Reichen verstärken. Dabei ist ihnen natürlich klar, daß das einiges Gerede geben wird - die einzelnen Revierleiter beschweren sich ja schon ständig wegen der erhöhten Personalbelastungen, seit Freddy das Zeitliche gesegnet hat. Falls sie jetzt die Wohngegenden des gehobenen Mittelstands patrouillieren lassen und unser Freund in der South Side zuschlägt, dann steh Gott den Stadtvätern bei. Aber zumindest können sie dann die ganze Schuld auf die Blödmänner vom FBI abwälzen. Ich kann sie jetzt schon hören: ›Sie haben uns dazu geraten. Sie haben gesagt, so sollen wir es machen.‹«
    »Ich halte die Wahrscheinlichkeit, daß er in Chicago zuschlägt, keinesfalls für größer als die, daß er in irgendeiner x-beliebigen anderen Stadt wieder morden wird«, erwiderte Graham. »Schließlich besteht keinerlei Grund zu dieser Annahme. Das Ganze ist doch nur eine Schikane. Warum kann Bloom dieses Profil nicht erstellen? Er arbeitete doch ständig mit der Verhaltensforschungsabteilung zusammen.«
    »Sie wollen dieses blöde Gutachten nicht von Bloom, sondern von uns. Bloom die Schuld in die Schuhe zu schieben, würde ihnen doch nichts nützen. Außerdem liegt er immer noch im Krankenhaus. Ich habe Anweisungen, dieses Profil zu erstellen. Irgend jemand auf dem Hill hat wohl mit jemandem vom Justizministerium telefoniert. Also Anweisung von höchster Stelle. Kann ich auf dich zählen?«
    »Gut, ich mache es. Das ist ja sowieso nichts anderes als das, was ich schon die ganze Zeit tue.«
»Ganz richtig«, nickte Crawford. »Mach also einfach damit weiter.«
»Ich würde lieber wieder nach Birmingham fahren.«
»Nein, laß mich jetzt bitte nicht allein.«
Der letzte Rest des Freitags tauchte den westlichen Horizont in glühendes Rot. - Noch zehn Tage.

35. K APITEL

    W ürden Sie mir jetzt vielleicht einmal erzählen, was für eine Art ›Ausflug‹ das werden soll?« fragte Reba McClane am Samstagmorgen, nachdem sie bereits zehn Minuten wortlos in Dolarhydes Kombi unterwegs waren. Sie hoffte, es würde ein Picknick werden.
    Der Wagen hielt an. Sie hörte Dolarhyde das Seitenfenster herunterkurbeln.
»Dolarhyde«, sagte er. »Dr. Warfield hat meinen Namen auf die Liste setzen lassen.«
»Geht in Ordnung, Sir. Würden Sie das bitte unter Ihren Scheibenwischer klemmen, wenn Sie das Fahrzeug verlassen?«
Sie fuhren langsam weiter. Reba spürte, daß die Straße eine leichte Biegung machte. Die Brise trug seltsame und sehr intensive Gerüche an ihre Nase. Ein Elefant trompetete los.
»Der Zoo«, sagte sie. »Toll.« Ein Picknick wäre ihr lieber gewesen. Aber ein Zoobesuch war auch nicht schlecht. »Wer ist Dr. Warfield?«
»Der Direktor des Zoos.«
»Ein Freund von Ihnen?«
»Nein. Wir haben dem Zoo lediglich mit dem Infrarotmaterial einen Gefallen erwiesen. Und dafür zeigen sie sich nun erkenntlich.«
»Wie?«
»Sie werden den Tiger berühren dürfen.«
»Na, ich weiß nicht.«
»Haben Sie schon mal einen Tiger gesehen?« Sie war froh, daß er ihr diese Frage zu stellen wagte. »Nein. Ich habe nur mal einen Puma gesehen, als ich klein war. Was anderes hatten sie im Zoo von Red Deer nicht. Aber vielleicht erklären Sie mir diese Geschichte mit dem Tiger lieber doch etwas genauer.«
»Sie behandeln einen abgebrochenen Zahn des Tigers. Und dazu müssen sie ihn... betäuben. Wenn Sie wollen, können Sie ihn berühren.«
»Werden viele Leute da sein, die darauf warten, auch an die Reihe zu kommen?«
»Nein. Außer Warfield, mir und ein paar Helfern wird niemand zugegen sein. Und die Leute vom Fernsehen kommen erst dazu, nachdem wir gegangen sind. Haben Sie Lust?«
In seiner Frage schwang eine eigenartige Dringlichkeit mit.
»Aber ja doch, natürlich! Vielen Dank... also das nenne ich eine Überraschung.«
Der Kombi hielt.
»Äh, woher soll ich wissen, daß er wirklich ganz betäubt ist?«
»Kitzeln Sie ihn einfach. Und wenn er lacht, dann laufen Sie lieber, was das Zeug hält.«
Der Boden des Behandlungsraums fühlte sich unter Rebas Sohlen wie Linoleum an. Der Raum war kühl

Weitere Kostenlose Bücher