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Roter Drache

Roter Drache

Titel: Roter Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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Winter Sirup in den Zähler gegossen haben, habe ich das gemeldet. So viel ich weiß, haben Sie auch brav gezahlt, als wir Ihnen deshalb eine Nachzahlung geschickt haben. Ihre Stromrechnung ist drastisch in die Höhe gegangen, seit Sie diese neuen Leitungen selbst verlegt haben. Ich habe Ihnen sicher schon an die hunderttausendmal gesagt: Irgendeine Schaltung im Haus frißt Unmengen von Strom. Haben Sie daraufhin etwa einen Elektriker kommen lassen, um den Schaden zu beheben? Nein. Statt dessen rufen Sie bei uns im Büro an und beschweren sich über mich. Langsam reicht’s mir wirklich.« Lewis hatte sich inzwischen richtig in Rage geredet.
»Ich werde dieser Sache auf den Grund gehen«, ließ Parsons nicht locker. Doch trat er vorsichtshalber bereits den Rückzug in seinen eigenen Garten an. »Die werden Ihnen schon auf die Finger klopfen, Mr. Lewis. Ich habe nämlich gesehen, daß sie schon vor Ihnen jemanden losgeschickt haben, um die Zähler abzulesen«, stichelte er über seinen schützenden Gartenzaun hinweg weiter gegen den Stromableser. »Warten Sie nur, bald werden Sie wieder wie jeder andere auch arbeiten gehen müssen.«
Lewis ließ den Motor an und stieß rückwärts aus der Durchfahrt. Jetzt würde er sich eine andere Stelle suchen müssen, um sein Sandwich zu Ende zu essen. Schade, dieser große Baum mit seinem kühlen Schatten war schon seit Jahren sein bevorzugtes Plätzchen für seine Mittagspause gewesen.
Er stand direkt hinter dem Haus von Charles Leeds.
    Um halb sechs Uhr abends fuhr Hoyt Lewis in seinem eigenen Wagen zum Cloud Nine, wo er sich mit ein paar Bieren zu trösten versuchte. Als er seine Frau anrief, von der er seit einiger Zeit getrennt lebte, fiel ihm nichts Besseres ein als: »Schade, daß du mir nicht mehr wie früher das Mittagessen machst.«
    »Das hättest du dir früher überlegen können, Mr. Neunmalklug«, war ihre Antwort darauf. Und dann hatte sie auch schon aufgehängt.
    Danach spielte er mit ein paar Kollegen von Georgia Power eine eher lustlose Partie Shuffleboard und ließ dabei hin und wieder seinen Blick über die anderen Gäste wandern. Seit neuestem tauchten immer mehr von diesen Flughafenangestellten im Cloud Nine auf. Alle hatten sie dieselben kleinen Schnurrbärte und dieselben blöden Collegeringe am kleinen Finger. Und demnächst würden sie das Cloud Nine auch noch, ganz nach englischem Muster, mit so einem idiotischen Dartboard herausstaffieren. Es war eben auf nichts mehr Verlaß.
    »Hey, Hoyt, was dagegen, wenn ich dir auf ein Bier Gesellschaft leiste?« Es war sein Innendienstleiter Billy Meeks.
»Das trifft sich gut, Billy. Ich wollte sowieso mal mit dir reden.«
»Wo drückt dich der Schuh?«
»Du weißt doch von diesem alten Querulanten Parsons, der ständig anruft und sich über mich beschwert?«
»Allerdings. Erst letzte Woche hat er wieder angerufen«, entgegnete Meeks. »Was ist denn mit ihm?«
»Er hat heute gesagt, daß jemand anderer meine Tour übernommen hat, als wäre in der Firma jemand der Auffassung, ich würde die Zähler nicht korrekt ablesen. Du glaubst doch nicht etwa auch, ich würde irgendwelche krummen Touren machen?«
»Natürlich nicht.«
»Ganz bestimmt nicht? Ich meine, wenn ich schon auf irgend jemandes Abschußliste stehe, dann wäre es mir lieber, wenn der Betreffende mir das sagen würde, anstatt lange hinter mir herzuspionieren.«
»Wenn du auf meiner Abschußliste stündest - glaubst du im Ernst, ich würde dir das nicht sagen?«
»Eigentlich nicht.«
»Na, siehst du. Außerdem - wenn irgend jemand deine Tour schon vorher ablesen würde, wüßte ich davon. Wir im Innendienst wüßten doch über eine solche Maßnahme Bescheid, Hoyt. Du kannst also beruhigt sein - kein Mensch spioniert hinter dir her. Laß diesen alten Querulanten von Parsons doch reden, soviel er will; schenk seinem Geschwafel einfach keine Beachtung. Als er mich letzte Woche angerufen hat, hat er gesagt: ›Herzlichen Glückwunsch, daß Sie diesem Hoyt Lewis endlich auf den Zahn fühlen.‹ Aber ich habe ihn einfach reden lassen.«
»Eigentlich sollte man diesem Vogel die Polizei auf den Hals hetzen wegen seines Zählers«, knurrte Lewis. »Dem gehört wirklich mal kräftig in den Arsch getreten. Hat er mir doch heute tatsächlich die Mittagspause vermiest mit seinem ewigen Gequengle.«
»Ich kenne die Stelle - ein schönes Plätzchen. Ich habe dort auch immer Mittagspause gemacht, wenn ich früher diese Tour hatte.« Meeks Miene nahm unvermittelt einen

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