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Roter Drache

Roter Drache

Titel: Roter Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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kriegen noch fünfundzwanzig Cents zurück.«
Dolarhyde kehrte ihm wortlos den Rücken zu und verließ den Laden.
    Selbst eine halbe Stunde später hatte sich die Aufregung des Verkäufers noch nicht ganz gelegt. Ja, dieser Kerl war auch letzte Woche schon hier. Wenn der sich noch mal hier blicken läßt, dann soll er mich mal kennenlernen. Für Klugscheißer wie den habe ich was unter der Ladenkasse parat.
    Dolarhyde sah sich den Tattler nicht gleich auf dem Flughafen an. Lecters Nachricht von letztem Donnerstag hatte etwas gemischte Gefühle in ihm geweckt. Selbstverständlich hatte Dr. Lecter recht damit gehabt, daß er großartig war; das zu lesen, hatte ihm enorme Befriedigung verschafft. Er war großartig. Allerdings verspürte er ob der Angst Lecters vor diesem FBIMann leise, aber unverhohlene Verachtung. Der Doktor verstand auch nicht viel mehr als die breite Masse.
    Dennoch brannte er darauf zu erfahren, ob ihm Lecter eine weitere Nachricht hatte zukommen lassen. Aber er würde erst nach Hause fahren, bevor er sich dessen vergewisserte. Dolarhyde war stolz auf seine Selbstbeherrschung.
    Während der Fahrt dachte er über den Zeitungsverkäufer nach.
Es hatte Zeiten gegeben, zu denen er sich entschuldigt hätte, ihn gestört zu haben, um dann den Zeitungsstand nie wieder aufzusuchen. Jahrelang hatte er sich jede Unverschämtheit von anderen Leuten gefallen lassen. Damit war jetzt Schluß. Dieser Kerl hätte vielleicht Francis Dolarhyde beleidigen können - dem Drachen hätte er nicht einmal ins Gesicht zu schauen vermocht. Das alles war Teil seines vorbestimmten Werdegangs.
    Um Mitternacht brannte die Lampe auf seinem Schreibtisch noch immer. Der Zettel mit der entschlüsselten Nachricht aus dem Tattler lag zerknüllt auf dem Boden. Außerdem waren überall Zeitungsseiten verstreut, aus denen Dolarhyde etwas ausgeschnitten hatte. Sein großes Buch stand aufgeschlagen unter dem Farbdruck des Drachens gegen die Wand gelehnt; der Klebstoff, mit dem er die Zeitungsausschnitte aus dem Tattler eingeklebt hatte, war noch nicht getrocknet. Unter den Zeitungsausschnitten war eine durchsichtige Plastiktüte befestigt, die noch leer war.
    Unter der Tüte stand geschrieben: ›Damit Hat Er Mich Beleidigt‹.
Doch Dolarhyde hatte seinen Schreibtisch bereits verlassen.
Er hockte in dem kühlen Modergeruch von Erde und Schimmel auf der Kellertreppe. Der Strahl seiner Taschenlampe wanderte über mit Decken verhängte Möbel, die verstaubten Rückseiten der großen Spiegel, die ehemals im Haus aufgehängt waren und nun gegen die Wände lehnten, und über die Kiste mit seinem Dynamitvorrat.
Schließlich verharrte der Lichtschein auf einem hohen, verhängten Gegenstand, der unter verschiedenen anderem Gerumpel in der hintersten Kellerecke stand. Spinnweben streiften Dolarhydes Gesicht, als er darauf zuging. Als er die darüber geworfene Decke entfernte, ließ ihn der dadurch aufgewirbelte Staub mehrmals kräftig niesen.
Er blinzelte die Tränen zurück und richtete den Lichtkegel der Taschenlampe auf den alten Eichenholzrollstuhl, den er aufgedeckt hatte. Er war eines von drei ähnlichen Gefährten im Keller, massiv gebaut, sorgfältig gearbeitet und mit hoher Rükkenlehne. Die Rollstühle waren seiner Großmutter in den vierziger Jahren für das Altersheim zur Verfügung gestellt worden, das sie damals geführt hatte. Die Räder quietschten erbärmlich, als Dolarhyde den Stuhl zur Kellertür schob. Trotz seines Gewichts trug ihn Dolarhyde problemlos die Treppe hinauf.
In der Küche ölte er erst einmal die Räder. Die kleinen Vorderräder quietschten auch dann noch, aber die hinteren hatten gute Lager und drehten sich ganz leicht, wenn er sie mit dem Finger in Bewegung setzte.
Durch das tröstliche Summen der Räder wurde seine verzehrende Wut zunehmend gelindert. Während er nun die Räder drehte, fiel Dolarhyde in ihr leises Summen ein.

20. K APITEL

    A ls Freddy Lounds Dienstagnachmittag die Redaktion des Tattler verließ, war er zwar müde, aber dennoch bester Stimmung. Er hatte den Artikel für den Tattler während des Flugs nach Chicago geschrieben und dann in die Setzerei gebracht, wo er noch eine halbe Stunde mit dem Layout beschäftigt war. Danach hatte er sich zurückgezogen und keinerlei Anrufe mehr angenommen, um ungestört an seinem Taschenbuch arbeiten zu können. Er hatte mit so etwas Erfahrung und entsprechend bereits fünfzigtausend Worte solider Hintergrundinformationen vorliegen.
    Sobald die Zahnschwuchtel

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