Roter Fluch - Wells, J: Roter Fluch - Mage in Black - Red-Headed Stepchild Trilogie 2
in die dunkle Kammer zu treten. Er betätigte einen Schalter, und Licht erhellte den kleinen Raum. Slade hatte Recht. Es war nichts Besonderes. Ein Futon stand an einer Wand. Ein kleiner Kühlschrank surrte in der Ecke und ein altmodischer Fernseher war an einen noch älteren Videorekorder angeschlossen. Auf dem Boden daneben stapelten sich ein paar Kassetten. Eine weitere Tür führte vermutlich in ein kleines Badezimmer.
»Was hat sich geändert?«, wollte ich wissen. Da es zu dem Zimmer an sich nichts zu sagen gab, konzentrierte ich mich auf das, was er gerade gesagt hatte.
»Vor zwanzig Jahren lagen die Dinge noch anders. Da gab es ständig Kämpfe ums Revier. Der Rat der Hekate machte sich Sorgen, die Spannungen zwischen uns könnten dazu führen, dass die Menschen uns entdeckten. Deshalb trat er an mich heran, und wir kamen zu einer Übereinkunft. Ich bekam die alleinigen Rechte, ihre Produkte mit hohem Gewinn zu verkaufen. Im Gegenzug erklärte ich mich bereit, hier aufzuräumen und die Vamps und Werwölfe im Griff zu halten.« Er zuckte mit den Achseln. »Es kommt immer wieder mal jemand Neues in die Stadt und versucht mir das Ruder zu entreißen. Aber normalerweise kommen sie nicht weit. Ich habe sichergestellt, dass es in aller Interesse ist, wenn ich die Zügel in der Hand behalte.«
Plötzlich betrachtete ich Slade mit anderen Augen. Klar war er kein Heiliger, aber das, was er erreicht hatte, war beeindruckend. Und zudem war es ihm gelungen, dem Joch der Dominae zu entkommen und sich ein neues
Leben aufzubauen. Wenn in New York zu bleiben nicht bedeutet hätte, dass ich ständig irgendwelchen Magiern über den Weg laufen würde, hätte ich beinahe in Betracht gezogen, längerfristig für ihn zu arbeiten.
»Wie auch immer … Ich sollte besser gehen, bevor die Sonne aufgeht. Meine Wohnung ist nur ein paar Blocks von hier entfernt.« Er holte ein Handy aus der Tasche seines Jacketts. »Meine Nummer ist einprogrammiert. Drück einfach auf ›Eins‹. Falls du etwas brauchst, lass es mich wissen.«
Ich nahm das Handy und steckte es in die Tasche. »Danke.«
Er sah sich noch einmal um. »Ach ja, im Kühlschrank sind ein paar Blutkonserven. Earl tauscht sie regelmäßig aus, damit sie frisch sind. Bedien dich.«
Ich schnitt eine Grimasse. Blut in Tüten. Igitt.
»Okay, ich bin dann mal weg. Versuch dich etwas auszuruhen, ja?«
Er legte mir die Hand auf die Wange und strich mit dem Daumen über meine Haut. Ich überlegte, ob ich mich über diesen voreiligen Annäherungsversuch ärgern sollte, aber wenn ich ehrlich war, hatte die Berührung etwas Beruhigendes. Nach meiner Zeit unter den Magiern und ihren seltsamen Gesetzen und Regeln fühlte ich mich in Slades Gegenwart fast heimisch. Entspannt. Wie wenn man in eine alte Lieblingsjeans schlüpft.
Doch leider kam Slade näher. Der Blick in seinen Augen zeigte mir, dass seine Gedanken weniger platonisch waren als die meinen. Ich war so erschöpft, dass meine Reflexe mich im Stich ließen. Er beugte sich vor, während ich noch über die Tatsache nachdachte, dass er mich gleich küssen würde. Gerade in dem Moment, in dem
mir klar wurde, dass ich ihn aufhalten musste, änderte er die Taktik und küsste mich auf die Wange. »Gute Nacht, Sabina.«
Ich sah ihm nach, als er das Zimmer verließ und die Tür hinter sich schloss. Dann hörte ich das Bücherregal wieder an seinen alten Platz rücken. Einige Minuten später lauschte ich den Geräuschen in der Bar. Slade und Earl schlossen ab. Erst als ich mir sicher war, dass ich das Gebäude für mich hatte, legte ich mich auf den Futon. Wenige Sekunden später war ich eingeschlafen.
An jenem Tag träumte ich, dass ich auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden sollte. Während ich vor Angst und Qual schrie, blickte ich über die Menge hinweg. Dort stand Maisie und schluchzte an Orpheus’ Schulter. Adam und Slade boxten miteinander, während Giguhl ihnen zujubelte. Stryx hingegen saß auf Lavinias Arm, während sie um meinen Scheiterhaufen tanzte.
28
Man musste Slade zugutehalten, dass er eine Stunde lang durchhielt, bis er mich nicht mehr ertrug.
»Also gut, verdammt nochmal!« Er knallte den Stift auf den Schreibtisch. »Hör endlich auf, hier rumzutigern. Du läufst ja noch ein Loch in meinen Teppich.«
Nachdem ich den ganzen Tag über von schrecklichen Träumen geplagt worden war, nur um beim Aufwachen eine Tüte mit kaltem Blut neben mir vorzufinden, war ich dementsprechend schlecht gelaunt. Ich
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