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Roter Herbst - Kriminalroman

Roter Herbst - Kriminalroman

Titel: Roter Herbst - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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einige Minuten liegen, wälzte sich dann aus dem Bett und zog die Jalousien hoch. Die Sonne blendete ihn, sodass er zusammenzuckte. Eine Weile stand er da und versuchte, sich an seinen Traum zu erinnern, aber die Helligkeit des Tages machte dies unmöglich. Er wusste nur, dass es ein anderer Traum gewesen war, als der, den er sonst träumte.
    Nachdem er geduscht und sich angekleidet hatte, machte er sich auf den Weg. Unterhalb der Wohnung, in die er sich eingemietet hatte, befand sich eine Bäckerei, in der er morgens Kaffee und ein einfaches Frühstück bekam. Ein Stehcafé, in dem sich stets die gleichen Männer aus der Stadt trafen. Inzwischen kannte er sie alle flüchtig. Den Apotheker, den Kaminkehrer und eine Reihe frustrierter Hartz-IV-Empfänger. Jeden Morgen standen sie da, außer sonntags. Gelegentlich wechselten sie ein paar Worte mit ihm, Belanglosigkeiten.
    Die Bäckerei hatte es vor 40 Jahren nicht gegeben, dachte er. Da war er sich ziemlich sicher. Damals gab es kein Hartz IV und das Städtchen war ein Städtchen gewesen, viel kleiner als die Stadt heute mit all den eingemeindeten Dörfern und den zahlreichen Neubaugebieten – auch übersichtlicher. Mit seinem historischen Stadtkern und dem alten Stadttor hatte es beschauliche Ruhe und Überschaubarkeit ausgestrahlt. Damals. Sicherlich hätte er sich an die Bäckerei erinnert. Andererseits, über die Jahre waren seine Erinnerungen verblasst und vieles von dem, was einst für einen kurzen Moment in seinem Leben bedeutsam gewesen war, hatte sich verflüchtigt, war einfach nicht mehr vorhanden. Es gab so vieles, was er vergessen hatte. Vielleicht auch die Bäckerei.
    Selbst das Gesicht des Mädchens war ihm phasenweise verloren gegangen. Da hatte er sich oft tagelang vergeblich gequält, hatte versucht, sich ihre Züge in Erinnerung zu rufen, ihre Stimme, ihre Art, sich zu bewegen, hatte, wenn die Erinnerung zurückgekommen war, warten müssen, bis sich der Sturm in seinem Kopf legte und er sich leer genug fühlte, um weiterzumachen. Im Rückblick konnte er dabei nicht einmal mehr so recht sagen, wann sein Erinnerungsvermögen angefangen hatte, ihn im Stich zu lassen. Manchmal hatte er sich in der Folge der Zeit sogar gefragt, ob es die schlimmen Ereignisse von damals überhaupt gegeben hatte. Eine absurde Vorstellung. War ihm tief in seinem Inneren doch immer bewusst gewesen, dass man die Vergangenheit nicht so einfach loswerden konnte. Was man zurücklässt, holt einen wieder ein. So war das nun mal.
    Das Bild des Mädchens aus dem Hamburgerrestaurant ging ihm durch den Sinn. Es hätte ihre Tochter sein können, dachte er. Sicherheitshalber rechnete er nach. Wenn sie eine Tochter gehabt hätte … Er wusste, der Gedanke war absurd. Zu viele Jahre waren vergangen. Die Rechnung stimmte nicht, ging nicht auf. Und überhaupt, damals war sie ja selbst noch ein halbes Kind gewesen. Seine Gedanken wanderten weiter, mischten Vergangenes und Gegenwärtiges. Dann wieder sah er das Gesicht des Jungen vor sich. Es konnte nicht sein …
    Der Kaffee war heiß und dünn und er verbrannte sich die Lippen, als er die Tasse an den Mund setzte.

    Zum Glück war das Osterwochenende vorüber. Verlorene Tage, an denen man nur herumsitzen oder in die Kirche gehen konnte. Amanda schnaufte durch. Sie mochte weder das eine noch das andere. Die Feiertage waren nichts für alleinstehende Frauen. Da kam man nur auf dumme Gedanken, daheim und erst recht in der Kirche.
    Der Tote lag noch immer in einem der drei Kühlfächer der Gerichtsmedizin. Drei war eine gute Zahl, dachte sie. Eine heilige Zahl. Wie durch ein Wunder hatte das Leichenschauhaus in all den Jahren, in denen sie hier ihren Dienst verrichtet hatte, nie mehr als drei Leichen gleichzeitig beherbergen müssen. Vielleicht ein Zeichen, dass es eine Vorsehung gab, die nur eine begrenzte Zahl von Gewalttaten zuließ, mutmaßte sie. So genau konnte man das allerdings nicht sagen. Vielleicht waren solche Zufälligkeiten einfach nur Gottes Weise, in der Anonymität zu verharren. Ein tröstlicher Gedanke. Dabei glaubte sie gar nicht an Gott.
    Als sie in den weiß gekachelten Raum trat, der sie jedes Mal wieder an das Hinterzimmer von Alois Laumers Schlachterei aus den Tagen ihrer Kindheit erinnerte, dort, wo die erbärmlichen Schreie der Schweine, Schafe und Rinder von den Wänden getropft waren, blickte ihr Mannteufel entgegen. Er sah extrem müde aus und wirkte noch griesgrämiger als gewöhnlich. Dennoch schien er

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