Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
die Augen. »Es ist keine Jagdsafari.«
Als sie die Worte aussprach, stieg auf einmal Optimismus in ihr auf. Genau das hatten sie vorgehabt – Raynor Lodge in einen Ort zu verwandeln, an den die Leute kamen, um das Land zu erkunden und die Tiere zu bewundern, und nicht, um Trophäen zu sammeln.
»Was wollen sie dann machen?«, fragte Wallimohammed. »Am Pool liegen?«
Mara lächelte ihn nur an. Sie stellte sich vor, wie sie in den nächsten Wochen an Johns Seite stehen würde. Gemeinsam würden sie die vielen kleinen und großen Probleme lösen, die sicher entstehen würden, wenn Carlton und die anderen Amerikaner erst einmal da wären. Inmitten von Chaos und Missgeschicken würden sie einander ermutigende Blicke zuwerfen. Die Leute würden sehen, dass sie sich liebten und respektierten – dass sie als Mann und Frau ein perfektes Team waren. So wie Raynor und Alice es gewesen waren.
Es würde genauso sein, wie Mara es sich erträumt hatte, als sie das erste Mal hierher nach Afrika gekommen war – bevor alles schiefgegangen war …
Der Feigenbaum breitete seine ausladenden Äste über dem Geviert der Mission aus und spendete den zahlreichen Patienten, die darauf warteten, dass die Klinik aufmachte, Schatten. Zwei Jungen spielten um den Baum herum Fangen und sprangen über die freiliegenden Wurzeln; aber die meisten Kinder saßen reglos auf dem Boden, ohne auf die Fliegen zu achten, die ihnen über Augen und Nase krabbelten. Ihre Mütter betrachteten sie mit erschöpfter Resignation. Mara vermutete, dass viele von ihnen stundenlang zu Fuß durch die Hitze gelaufen waren und kaum etwas zu essen dabeihatten. Sie hoffte nur, dass sie den Landrover, der mit mehr Lebensmitteln beladen war, als die meisten Familien in Jahren essen konnten, nicht sehen würden.
Als sie den Weg zum Hauptgebäude entlangging, sah Mara die Frau des Arztes mit ihren drei kleinen Töchtern, die alle die gleichen Kleider aus rot-weiß karierter Baumwolle trugen. Mara wusste, dass das ihre Schuluniformen waren – sie hatten ihr einmal erklärt, dass sie an Wochentagen immer diese Kleider trugen, obwohl sie zu Hause im Missions-bungalow Unterricht bekamen.
Mara hob grüßend die Hand, und Helen winkte lächelnd zurück. Wie immer empfand Mara die leichte Distanz zwischen ihnen. Helen führte ein geschäftiges, nützliches Leben. Sie unterstützte ihren Mann bei seinen medizinischen Pflichten und kümmerte sich um ihre drei Kinder. In ihrer Freizeit brachte sie afrikanischen Mädchen das Nähen bei. Mara hingegen verbrachte ihre Zeit damit, für den Komfort reicher Ausländer zu sorgen. Sie wusste, dass die Gäste von Raynor Lodge aus Sicht der Missionare den Afrikanern ein schlechtes Beispiel boten, da sie Alkohol tranken, und dass sie die Einheimischen durch ihre hohen Trinkgelder verdarben. Vor diesem Hintergrund überraschte es kaum, dass John und Mara nicht mit den Leuten in der Mission verkehrten oder dass Helen und ihr Mann sie noch nie in der Lodge besucht hatten.
Trotzdem gab es eine unausgesprochene Verbundenheit zwischen den beiden weißen Frauen. Mara spürte, dass Helen von Maras Leben fasziniert war. Manchmal fragte sie sie nach den Gästen, was für Kleider sie trugen, was für Leute es waren. Wahrscheinlich stellte sie sich alles viel glamouröser vor, als es war. Was Mara anging, so beneidete sie Helen um ihr Leben voller Gewissheit und Schlichtheit. In der Mission war, so schien es ihr, alles klar. Es gab Krankheit und Heilung; Leben und Tod. Richtig war richtig und falsch war falsch, und dazwischen gab es eine eindeutige Trennlinie.
Die Kinder kamen auf Mara zugerannt und begrüßten sie. Helen beobachtete sie liebevoll und ließ sie von ihrer neuen Schildkröte erzählen, bevor sie ihnen sagte, sie sollten wieder an ihre Schulaufgaben zurückkehren.
»Sie sind bestimmt ganz aufgeregt wegen der Reise«, sagte Mara, als die Mädchen zum Bungalow rannten. Als sie das letzte Mal in der Mission war, hatte Helen vorgehabt, mit ihnen in den Ferien nach England zu fahren. Sie sollten zum ersten Mal in ihrem Leben ihre Großeltern kennenlernen.
Ein Schatten huschte über Helens Gesicht. »Wir fahren jetzt doch nicht. Es ist einfach zu teuer. Wir sind alle sehr enttäuscht.« Ihre Stimme klang so, als wollte Helen gleich in Tränen ausbrechen.
»Oh, das tut mir wirklich leid«, sagte Mara.
Helen seufzte und wandte sich ab, um die Menge der Patienten zu mustern. Nach einem Moment schüttelte sie leicht den Kopf, als wolle
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