Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
staubbedeckt. Während er die Schaufel schwang, spannten sich die Muskeln in seinen Armen, an seiner Brust und seinem Bauch.
Sie starrte auf seinen Körper – der gleiche Körper, der von einer anderen Frau berührt worden war.
Der Körper, der ihr nicht mehr gehörte …
Der Schweiß lief ihm in Strömen übers Gesicht. Es lag etwas Verzweifeltes in seiner Anstrengung, als ob alles davon abhing, dass das Loch immer größer und der Pool fertig wurde. Die Lippen hatte er fest zusammengepresst wie jemand, der gegen körperliche Schmerzen ankämpft.
Mara rührte sich nicht. Sie war hierhergekommen, um ihn zur Rede zu stellen, aber jetzt wusste sie noch nicht einmal, wie sie anfangen sollte. Der Ausdruck auf seinem Gesicht machte sie nervös – er kam ihr vor wie ein Fremder. Sie wusste nicht, wie er reagieren würde.
Tränen traten ihr in die Augen. Ihre Wut schwand dahin, wurde dünn und nutzlos. Unsicherheit und Verwirrung traten an ihre Stelle. Und kalte Angst. Die Konsequenzen dieses Augenblicks würden in alle Ewigkeit andauern. Die Zeit konnte nicht mehr zurückgedreht werden.
Vielleicht war es ja besser, sie vergaß einfach, was passiert war. Matilda hatte in ihrem Brief geschrieben, dass sie und John sich nie wiedersehen würden – alles, was sie geschrieben hatte, deutete auf eine einzige Nacht hin. Vielleicht sollte Mara dem Ganzen nicht mehr Bedeutung beimessen, als ihm zustand.
Wenn sie eine der Frauen im Dorf fragen würde, was sie tun sollte, würden sie sie auslachen. »Wirft er dich aus dem Haus?«, würden sie fragen. »Schenkt er dieser anderen Frau Babys und nimmt dir etwas?« Möglicherweise würden sie sogar vorschlagen, dass ihr Mann diese zweite Frau heiraten sollte – dann könnten sich zwei Memsahibs die Arbeit in der Lodge teilen.
Mara wusste auch, dass sie Johns Untreue nicht ernst nehmen würde, wenn sie zu den Kenia-Frauen im Happy Valley gehören würde – wo Singles und Paare gemeinsam wilde Partys feierten.
Und es war doch bestimmt am besten, einfach weiterzumachen.
Das hatte sich allerdings als nicht so einfach herausgestellt. Mara begann, jedes intime Gespräch mit John zu vermeiden, um das Geheimnis auf keinen Fall erwähnen zu müssen.
Und sie betrachtete sich ständig im Spiegel und kontrollierte ihr Aussehen. John war ihr erster Liebhaber gewesen, und sie war die erste Frau gewesen, mit der er geschlafen hatte. In der Hochzeitsnacht waren sie beide gleich unerfahren gewesen. Jetzt quälte Mara die Vorstellung, dass ihr Mann sie mit einer anderen vergleichen konnte.
Sie marterte sich selbst mit Fragen. Sie hatte dunkle Haare, während die Engländerin blond war. Ob John helle Haare wohl besser gefielen? Kam ihm der Körper seiner Frau mit den dunklen Haaren jetzt abstoßend vor? Und welche Geheimnisse barg der Körper der Engländerin?
Wenn John Mara jetzt berührte – oder wenn er sie nicht berührte –, fragte sie sich unwillkürlich, ob es ihm wohl lieber wäre, wenn sie jemand anderer wäre. Jemand, der wie ein Engel aussah und wie eine Königin sprach …
Aus Wochen wurden Monate, und Mara sagte sich, sie könne verstehen, warum ihr Mann ihr untreu gewesen sei. Sie wusste, dass er ihre Weigerung, ihn auf die Safaris zu begleiten, als persönliche Zurückweisung empfand. Und ihr war auch bewusst, dass John ihren Abscheu vor seiner Arbeit als verletzend empfand, auch wenn er selbst den Wunsch hatte, keine Trophäen mehr schießen zu müssen. Die Großwildjagd war das, was er am besten konnte – sein größtes Talent. Und sie war verbunden mit seiner Bewunderung für seinen geliebten Mentor, Raynor. Und dann liefen auch noch die Geschäfte schlecht. Der finanzielle Druck. Die endlose harte Arbeit.
So viele Gründe für einen Mann, um durch die Wärme, das Lachen und die Bewunderung einer schönen Frau verführt zu werden …
Aber sosehr sie sich auch bemühte, die Gründe für die Affäre zu verstehen, so wenig konnte Mara an ihrer Reaktion ändern. Sie konnte all die unausgesprochenen Worte, die Umarmungen, die sie zurückhielt, spüren. Sie umgab sich mit einer unsichtbaren Mauer, hinter der sie kalt und einsam gefangen war. Und mit jedem Tag, der verging, wurde die Barriere höher.
Mittlerweile konnte sie sich schon gar nicht mehr vorstellen, wie dieser Wall jemals durchbrochen werden sollte – nichts drang mehr hindurch und berührte sie.
Mara lag auf ihrer Seite im Bett, die Arme eng am Körper, als wäre John nicht Hunderte von Kilometern weit weg,
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