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Roter Lampion

Roter Lampion

Titel: Roter Lampion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. C. Bergius
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sein Mikrophon, als flüstere er einer Geliebten zärtliche Worte zu, und seine Startklarmeldung ›Ready for take-off‹ hörte sich an, als spreche er in Watte hinein. Sein Temperament, das ihn sonst kennzeichnete, war einer Konzentration gewichen, die keine Verkrampfung kannte und an die ruhige und zugleich wache Aufmerksamkeit eines auf der Lauer liegenden Panthers erinnerte.
    Für Gordon Cooper war es ein Genuß, Lee Akira zuzuschauen, wenngleich dieser bei seiner kleinen Reisemaschine nur wenig Hebel zu betätigen hatte. Das aber, was zu tun war, führte er nicht mit den nüchternen Handgriffen eines Europäers, sondern mit jenen fließenden Bewegungen aus, die Asiaten so oft zu eigen sind.
    Es gab jedoch noch etwas anderes, das Cooper in den Bann schlug: die Faszination des malaiischen Dschungels am frühen Morgen. Außer dem Himmel waren zwar nur Baumkronen zu sehen, von Horizont zu Horizont nichts als Baumkronen. Im saftigen und völlig unverstaubten Grün ihrer Blätter aber spiegelte sich die Sonne wie in der Kräuselung eines Sees. Myriaden goldener Funken tanzten in den Tag hinein, und Myriaden von Jauchzern schienen ihnen zu folgen.
    »Hier ist der Dschungel so dicht, daß noch nie ein Mensch in ihn einzudringen vermochte«, sagte Lee Akira, als sie eine Weile geflogen waren. »Einzig eine Eisenbahnlinie und eine Straße, die tagtäglich von beständig über sie hinweggreifenden Gewächsen befreit werden müssen, konnte man durch den Dschungel schlagen.«
    »Und wie ist es mit der Tierwelt bestellt?« erkundigte sich Cooper, den die von Lee Akira eingehaltene geringe Flughöhe leicht nervös machte.
    »Kunterbunt!« antwortete der Japaner. »Elefanten, Nashörner, Tiger, Tapire, Affen, Riesenschlangen und ungezählte Arten von Tropenvögeln keifen sich des Nachts in ohrenbetäubenden Konzerten an. Um die gespenstige Atmosphäre zu erhöhen, phosphoreszieren dann auch noch viele Bäume und Sträucher, und aus der Erde kriechen Blutegel in solchen Mengen, daß man sie nicht mehr einzeln fortklauben kann, sondern mit Schabern von seinen Beinen abstreifen muß.«
    Gordon Cooper verzog sein Gesicht. »Sie reden, als hätten Sie das schon einmal tun müssen.«
    »Habe ich auch«, erwiderte Lee Akira mit einem gewissen Stolz in der Stimme. »Während des Zweiten Weltkrieges, als Landsleute von mir Malaya besetzten. Meine Eltern hatten sich hier niedergelassen. Ich zählte damals gerade zwölf Jahre. Es war eine scheußliche und sorgenvolle Zeit.«
    Cooper benutzte die günstige Gelegenheit, um die ihm von Sorokin gestellte Aufgabe zu lösen. »Erleben Sie im Augenblick nicht auch wieder eine sorgenvolle Zeit?« entgegnete er in aller Offenheit.
    Lee Akira schien den Sinn der Worte nicht zu verstehen, denn er erkundigte sich mit krauser Stirn: »Meinen Sie in politischer Hinsicht?«
    »Nein, in persönlicher. Ich las in der Zeitung, daß die ›Albion-Tin-Works‹ im Augenblick ziemliche Schwierigkeiten zu überwinden haben.«
    Lee Akira lachte aus vollem Halse. »Jetzt weiß ich, worauf Sie hinauswollen. Nein, nein, ich habe nicht den geringsten Kummer.«
    »Aber Ihre Produktion ist doch sehr zurückgegangen«, gab Cooper zu bedenken.
    Der junge Zinnminenbesitzer machte eine wegwerfende Bewegung. »In spätestens drei Wochen ist die Sache vergessen.«
    »Ich bin froh, Sie so sprechen zu hören«, erwiderte Gordon Cooper und gab sich einen erleichterten Anschein. »Ich machte mir schon Vorwürfe, Sie zum heutigen Flug nach Singapore verleitet zu haben.«
    »Vorwürfe?« Lee Akira schüttelte belustigt den Kopf. »Ich bin glücklich, Ihnen behilflich sein zu können.«
    Für Cooper war der Fall klar. Kein Zweifel konnte darüber bestehen, daß Lee Akira sich nicht die geringsten Sorgen machte. Ivo Sorokins Überlegungen und Vermutungen trafen ins Schwarze, und Gordon Cooper tat es leid, daß ausgerechnet er Lee Akira mit einem Trick hatte aushorchen müssen. Er schätzte den temperamentvollen Unternehmer, und er befürchtete, Sorokin könnte Dinge einleiten, die seinem sympathischen neuen Bekannten zum Nachteil gereichten. Wahrscheinlich machte er sich unnötige Gedanken, in Gelddingen aber, das hatte ihm die letzte Unterredung mit Ivo Sorokin gezeigt, kannte dieser weder Gefühlsregungen noch Rücksichtnahme.
    Nur selten wurden Ortschaften überflogen, deren zumeist weiße Häuser und rosa Dächer in der Monotonie des nicht enden wollenden Dschungels wie Oasen wirkten. Dann aber, kurz vor Erreichen der am

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