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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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Sie fiel auf dem Teppich auf die Knie und
verneigte sich vor dem Jungen-Ding, vor Dr. Damon Lovelace. Sie
zitterte vor Furcht oder Erschöpfung, ihr Halfter war leer, und
über den Schultern ihrer schwarzen Uniform war ein blutiger
Riß.
    »Sprich!« sagte das Jungen-Ding in einem derart
häßlichen gereizten Tonfall, wie ihn Lee noch nie
gehört hatte.
    Die Soldatin hob das verspiegelte Visier ihres Helms. Sie war sehr
jung, wie Lee sah. Sie sagte: »Ich bitte tausendmal um
Entschuldigung, Vorfahr. Tausendmal um Entschuldigung, Herr. Eine
schreckliche Sache…«
    Dr. Damon Lovelace packte die Soldatin am Hals und zog sie ohne
jegliche sichtbare Mühe hoch. Sie trat mit den Füßen
aus, die Zehen ihrer genagelten Stiefel streiften kaum den
Teppich.
    »In einem Wort«, sagte Lovelace.
    »H-hinterhalt.«
    Dr. Damon Lovelace warf die Soldatin gegen die Wand des
Wohnwagens. Ihr Helm klang wie eine Glocke, und sie fiel neben Mary
Makepeace Gaia nieder.
    Die Söldnerin hob eine Braue, und dann war sie
verschwunden.
    »Das wird nichts nützen«, sagte Chen Yao. »Ihr
versteckt euch hier draußen, weil ihr euch nicht traut, euch
dem Mob in der Stadt entgegenzustellen, und daher liefert ihr euch
uns in die Hände. Eure Verteidigungsanlagen sind nicht mehr
länger aktiv. Sie sind es nicht gewesen, seitdem ich
hindurchgebracht worden bin. Viren haben die Maschinerie untergraben,
und ein halbes Dutzend Wüstenkämpfer haben eure Truppen
gefangengenommen. Dieser einen hat man die Flucht gestattet, Vorhut
vor dem Sturm.«
    Die Söldnerin war zurück, ebenso jäh, wie sie
gegangen war. »Es stimmt«, sagte sie ruhig. »Der
Ring-Alarm ist nicht ausgelöst worden, und die Bewegungssensoren
funktionieren anscheinend, aber niemand antwortet von irgendeinem der
Wachposten.«
    Dr. Damon Lovelace hob die Schultern. »Wir fallen zurück
und gruppieren uns neu. Verkrüppele die Gefangenen.«
    »Sir?« fragte der Colonel.
    »Brich ihnen das Rückgrat. Zwischen dem dritten und
vierten Halswirbel, das wird’s tun. Wir werden sie später
bearbeiten. Muß ich dir denn alles sagen?«
    Chen Yao tat etwas Erstaunliches: sie machte einen Salto
rückwärts und flog mit den Füßen voraus auf das
Jungen-Ding zu. Es ging mit einem überraschten Aufschrei zu
Boden, und sie zog es auf die Füße. Ihre Hand lag an
seinem Hals, und in der Hand war ein metallener Stachel.
    Der Colonel und die Söldnerin zogen beide ihre Pistolen, doch
Chen Yao zerrte das Jungen-Ding Schritt für Schritt nach hinten,
bis sie das hohe Doppelbett erreicht hatte. Gazevorhänge
bauschten sich um sie herum.
    Chen Yao rief schrill: »Ich werde seine Halsschlagader
durchschneiden! Gehirntod in zwei Minuten!«
    Die Söldnerin ließ die Hand, die ihre Pistole hielt, an
ihrer Seite herabfallen. Der Colonel sah Dr. Damon Lovelace an.
    Das Jungen-Ding wand sich und winselte, als Chen Yao in die weiche
Haut an seinem Hals schnitt. Leuchtend rotes Blut blühte an
seinem Jackenkragen. Das Jungen-Ding kreischte auf vor Entsetzen.
    Und ein weiteres Geräusch ertönte, ein leises Schlagen
aus dem mit Vorhängen bedeckten Bett hinter Chen Yao und ihrem
Gefangenen.
    Dr. Damon Lovelace sagte: »Du hältst den falschen
Körper, dumme Gans.«
    Chen Yao sagte: »Er ist weder hier noch dort. Wie jene im
Sterbeprozeß in deine famose neue Welt benötigt er noch
immer seinen alten Körper. Ein weiterer Fehler, mich für
ein kleines Mädchen zu halten. Das bin ich nicht. Ich bin ein
Gott. Hier herüber, Wei Lee. Sie werden dir nicht
wehtun.«
    Lee trat an dem Colonel vorbei, und Chen Yaos freie Hand packte
ihn an der seinen. Augenblicklich schien sich alles um ihn herum zu
verlangsamen. Sein Blick war überlagert von gitterartigen
Symbolen, und er spürte den jähen Fluß einer benommen
machenden Stärke, als wäre er mit dem Kopf voraus in eine
Blase reinen Sauerstoffs geworfen worden. Chen Yao hatte die
Modifikationen in seinem Nervensystem angeschaltet, alle auf
einmal.
    Und jetzt vernahm er ein fernes Poltern, weit jenseits des Lagers,
das jedoch stetig lauter wurde.
    Dr. Damon Lovelaces Stimme sprach in einem gedehnten Baß.
»Gib auf, und ich verspreche dir einen raschen Tod. Du
mußt wissen, daß du nicht fortlaufen kannst. Dafür
hast du die falsche Geisel.«
    »Ich brauche nicht fortzulaufen. Aber du mußt es. Frag
deine Soldatin.«
    Mary Makepeace Gaia streckte die Hand aus, ließ ihre Pistole
auf den Teppich fallen. Dann wirbelte sie herum und beugte sich zu
der zusammengesackten Soldatin

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