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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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Küche, und im Schlafzimmer dahinter
war ein Halblebender-Kokon. Lee trat ihn von seinem Sockel und fegte
die losen trockenen Knochen im Innern beiseite. Ein winziges rotes
Licht blinzelte ihn an; es war noch immer Energie vorhanden. Alles
war noch immer mit allem anderen verbunden: das System würde das
sicherstellen, selbst nachdem die Welt gestorben war.
    Lee zwängte sich in die Kopfhörer, spürte, wie sein
Körper zusammenbrach, noch während er sich davon
abstieß. Er fiel nicht weit, sondern ging in einem Winkel zu
allem anderen den Weg hinab, auf den er zuvor einen kurzen Blick
erhascht hatte. Plötzlich wurden alle Verbindungen klar. Er sah
die Projektoren, die Mary Makepeace Gaia eingerichtet hatte, und die
Fallen, die sie an der Grenze gelegt hatte. Sie hatte mit ihm
sprechen wollen, oder mit ihrer Schwester, und dann hatte sie
gewollt, daß er davonliefe, so daß sie ihn hätte
jagen und töten können.
    Nun, fortlaufen würde er, aber zunächst schaltete er
alles ab und setzte ein Leuchtfeuer. Und dann folgte er einem
erweiterten Zweig auf dem geisterhaften Quantenpfad, den er
während seines vorherigen Einfalls in den Informationsraum des
Tigerbergs hergestellt hatte, und hatte ein kurzes, intensives
Gespräch mit der Erdbewegungsmaschine.
    Und kehrte zurück, weil ihm Mary Makepeace Gaia den
Kopfhörer entrissen hatte. Sie faßte sein Kinn und zog
seinen Kopf zurück, hielt ihm ein Messer an die Kehle.
    Der Raum war in Dunkelheit, aber am Rand seines Sichtbereichs sah
Lee ihren Ausdruck in der warmen Maske ihres Gesichts. Sie sagte:
»Es gibt so viele Wege zu sterben.«
    »Aber nicht durch deine Hand. Nicht direkt. Du hättest
mich zu jeder Zeit töten können, nachdem du mich gefunden
hast, doch du hast es nie getan. Du hast stets andere auf diese
Aufgabe angesetzt.« Er hielt sich still, trotz seiner Furcht:
die scharfe Messerklinge hatte ihn in die Kehle geschnitten, und er
spürte, wie ihm das Blut den Hals hinabtröpfelte und seinen
Kragen durchtränkte. Schläge der Stille. Er sagte:
»Abgesehen davon kommen deine Arbeitgeber.«
    Das Messer klingelte, als es die gegenüberliegende Wand traf:
Mary Makepeace Gaia lachte. »Du glaubst, sie werden dich retten?
Schwester, du wirst wünschen, durch meine Hände gestorben
zu sein. Hau ab! Renne, wenn du willst! Ich schwöre, ich werde
dich sauber töten.«
    »Zu spät«, sagte Lee. »Sie sind bereits
hier.«
    Sein Leuchtsignal hatte geantwortet. Ein pfeifendes Brüllen
stieß auf die Stadt herab: ein lauter werdendes Kreischen, das
Mary Makepeace Gaias Gelächter nicht übertönen
konnte.

 
     

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74
     

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    Da war eine kleine Stadt mit leuchtenden silbernen Türmen.
Wie ein Kreis aus Speeren erhoben sie sich in den Schatten unter den
geriffelten Wänden des nördlichen Endes der stufen- und
nestförmigen Krater des tiefen, breiten Kessels des Tigerbergs.
Jede Speerspitze war ringförmig oder gefiedert und hob sich aus
dem Glanz eines Felds von Licht in unterschiedliche Höhe. Man
sah auch Kuppeln und verschlungene silberne Straßen und eine
lange, lange Startrampe, die über den achtzig Kilometer breiten
Kessel hinauslief und auf Sterne gerichtet war, die hell und klar in
dem Fast-Vakuum brannten.
    Innerhalb der stählernen Umhüllung seiner Kabine
spürte Lee, wie sich das Raketenschiff unter ihm drehte. Das
Drehmoment zog ihm das Gesicht von dem dicken Glasbullauge; der
Sicherheitsgurt seines Sitzes schnitt ihm in Schultern und Brust.
Außerhalb des Bullauges kippte alles um, und dann waren da nur
die Sterne, als sich das Raketenschiff auf einen flammenden Schwanz
setzte. Es folgte ein langes Brüllen, dann ein Zittern, dann
Schweigen.
    Jäh war Lee von den Kadern umgeben, die ihn von Mary
Makepeace Gaia in der toten Bergstadt mitgenommen hatten. Sie waren
in einfache weiße einteilige Uniformen gekleidet. Schwarze
Visiere verdeckten die Hälfte ihrer Gesichter. Ihre Köpfe
waren geschoren, wie bei Mönchen oder Beamten. Sie waren alle
jünger als Lee, eher Jungen als Männer, und sie hatten
keine Namen, sondern Nummern. Sobald sie Lee umzingelt hatten, riefen
sie einander mit einer Art unterdrückter Hysterie in der
verstümmelten Tech-Sprache etwas zu.
    Es war, als wären sie auf alles wütend, sogar auf sich
selbst. Mehrere hielten Pistolen auf Lee gerichtet, während
andere den komplizierten Sicherheitsgurt öffneten, der ihn an
dem gepolsterten Sitz festgezurrt hatte. Er hörte Chen Yaos
unterdrückten Protest, als sie aus ihrem

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