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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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drei weitergingen, sagte Lee zu Guoquiang: »Dein
Vater möchte an mir ein Exempel statuieren. Und die
Sprachrohr-des-Volkes-Armee wird mich zuvor benutzen. So ist es
besser, glaube ich. Mach dir keine Sorgen. Ich werde mich zur
Hauptstadt aufmachen, so oder so. Wir werden uns dort treffen. Der
Sturm wird jeden aufhalten, der mir auf einem minderwertigeren
Reittier folgt.«
    »Du wirst ein Krimineller sein«, sagte Xiao Bing. Aber
er lächelte.
    »Die Hauptstadt ist nicht wie dieses Danwei. Fünf
Millionen Menschen leben dort. Weitere treffen jeden Tag ein.«
Lee lächelte. Er wußte, daß sich seine beiden
Freunde die Anonymität der Hauptstadt nicht vorstellen konnten.
Er sagte: »Ihr braucht nicht auf mich zu warten, bindet es
einfach an und laßt es mit den Vorräten
zurück.«
    »Wenn es uns nicht die Arme abbeißt.«
    »Oder unsere Köpfe.«
    »Ich habe dir gesagt, wie man es beruhigen kann. Wenn es
beruhigt ist, legst du ihm einfach den Maulkorb an, und es wird dir
überallhin folgen.«
    »Ich hoffe, du hast genau zugehört, Xiao Bing.«
    »Ebenso genau wie du, Guoquiang.«
    »Habe ich dir von den Vorräten berichtet?«
    »Zweimal. Es wird schwierig werden.«
    »Aber nicht unmöglich für Kader mit soviel
Ressourcen wie euch beiden.«
    Guoquiang kniff die Augen zusammen und hob die Schultern, eine
Imitation des Gangsterschurken der Oper, die auf dem Wandschirm lief.
Sie war so erfolgreich, daß sowohl Lee als auch Xiao Bing
lachten.
    »Vertrau mir«, sagte Guoquiang.
    »Vertrau uns«, sagte Xiao Bing. »Wir werden dich
vermissen, Wei Lee.«
    »Ich habe anscheinend den ganzen Tag damit verbracht, auf
Wiedersehen zu sagen«, meinte Lee. Er fühlte sich wirklich
hochgestimmt. Auf der Flucht in einem Sturm, mit einer
ausgelösten Heldin: besser als dieser staubige falsche Park und
seine geschmacklosen Opernbänder aus zweiter Hand. Er
schüttelte seinen Freunden die Hand und verabschiedete sich. Er
hatte ihnen von dem Armeeoffizier erzählt, nicht jedoch von dem
Plan, die Anarchisten-Pilotin zu befreien. Es bestand
schließlich keine Notwendigkeit, in die Einzelheiten zu gehen.
Besser für seine Freunde, wenn sie nur das wußten, was sie
wissen mußten. Es war nicht seine Schuld, wenn sie die falschen
Schlüsse zogen.

 
     

----
11
     

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    In dieser Nacht kam der Bibliothekar im Traum zu Lee.
    »Du bist in Gefahr, Herr«, sagte der Bibliothekar. Wie
stets war er ruhig und unerschütterlich, die Kapuze seiner
schwarzen Seidenrobe über ein Gesicht gezogen, das ein
Spiegelbild von Lees eigenem Gesicht war.
    »Was tust du hier?« Lee war nackt, und er war sich
bewußt, daß er mit der schwebenden Gelöstheit
träumte, die Träume mit sich bringen. »Ich kann dich
nicht finden, und die ganze Zeit über hast du dich in meinen
Träumen versteckt. Ist das so?«
    »Für mich ist deine ganze Welt ein Traum. Warum solltest
du also überrascht sein, mich in einem Teil davon zu finden,
jedoch nicht in einem anderen?«
    »Ich habe dich gesucht, und du bist nicht
dagewesen.«
    »Die Soldaten befehligten einen Großteil der
verbliebenen Kapazität im Netz des Danwei. Das hat die
Zeit für mich verlangsamt; ich konnte nicht mehr länger
stehlen, was ich benötigte. Dennoch bedeutete es, daß ich
teilte, was sie taten. Darum weiß ich, daß du in Gefahr
bist, Herr.«
    »Ich brauche kein Phantasieprodukt meines
Unterbewußtseins, um mir das zu sagen.«
    »Die Anarchisten-Pilotin ist gefährlich, Herr. Sie hat
das ganze Danwei in Gefahr gebracht.«
    »Darum halten die Soldaten sie in der
Isolierungskammer.«
    »Das Netz des Danwei hat eine Schnittstelle mit der
Isolierungskammer, und irgendwelche Teile der Anarchistin sind in das
Netz eingedrungen. Ich habe sie hier gesehen«, sagte der
Bibliothekar. »Sie hat drei Gänge weiter ein Buch gelesen.
Ich bin zu ihr gegangen, und sie hat das Buch aufs Regal
zurückgelegt und ist verschwunden. Sie hatte das Buch
geöffnet, aber ich habe es nicht öffnen können. Ich
fürchte, ich habe wenig Fortschritte gemacht, seitdem du mich
das letzte Mal gesehen hast, Herr. Zuviele Bücher bleiben mir
verschlossen.«
    »Gegenwärtig muß ich an wichtigere Dinge denken
als an meine Eltern. Wirst du noch immer bei mir sein, wenn ich
gehe?«
    »Das Informationsnetz des Danwei ist meine Heimat.
Insbesondere die lizensierte, redigierte Kopie des Hauses der Namen
des Volkes, welche das Netz enthält. Aber es gibt Orte, wo ich
ins Original treten kann. Diese Durchgänge sind wechselhaft

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