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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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Schaltdiagramme. Lee waren sie zuvor noch nicht
aufgefallen. Er lehnte sich an den sonnendurchwärmten Stein und
sagte: »Dies ist besser als deine muffigen
Bücher.«
    Unter ihnen erstreckte sich eine weite Bucht um eine Stadt herum,
die auf sieben Hügeln errichtet war. Eine Glaspyramide
reflektierte den blauen Himmel inmitten einer Anzahl hoher
Gebäude, die größer waren als alles, was Lee je
gesehen hatte. Das blaue Wasser war gesprenkelt von den Segeln vieler
kleiner Schiffe. Etwas näher, Lee und den Bibliothekar
überschattend, hob sich eine rostrote Brücke über die
Meerenge, welche die Mündung der Bucht darstellte. Fahrzeuge
summten darüber, aus der Entfernung klein wie Käfer.
Jenseits der Brücke… Nebel, eine Nebelbank, die sich vom
grauen Ozean heranwälzte. Etwas dort draußen gab einen
klagenden Laut von sich.
    Der Bibliothekar schob die Kapuze der Robe zurück und
schüttelte sich das lange schwarze Haar aus. Miriam (aber wann
hatte sie langes Haar gehabt? und warum war sie so jung, jünger
sogar als Lee?) sagte: »Das ist auf der Erde, oder es war auf
der Erde. Ich schätze, die Ruinen der Stadt sind vielleicht noch
immer dort, aber es ist solange her, seitdem ich daran gedacht habe,
hinzusehen, und die Erde ist jetzt eine grüne Wildnis…
Hör zu, Lee, die Leute, mit denen du zusammen bist, verehren
ihre Vorfahren. Daß du einen Geist im Kopf hast, beeindruckt
sie mächtig. Darum lassen sie dich am Leben.« Sie lachte.
»Sie glauben, du könntest Tote erwecken.«
    Lee lachte ebenfalls. »Warum sollten sie mich
töten?«
    »Warum nicht? Du bist ein Han. Vor Jahrhunderten auf der Erde
hast du ihnen ihr Land geraubt, und die Überlebenden wurden
ausgeschickt, um hier auf dem Mars für die mühselige Arbeit
der Terraformung zu sorgen. Die meisten sind gestorben. Jene, die
nicht gestorben sind, wurden Marsianer. Sie halten diese Welt
für die ihre, und warum auch nicht?«
    »Der ›Große Sprung nach vorn‹ wird nicht ein
Jahrhundert benötigen, sondern tausend Jahre. Das ist sein
Ruhm.«
    »Du hörst dich an wie ein Anwerbe-Poster.«
    Lee hatte einen Slogan zitiert, über den er in einem alten
Geschichtsfile gestolpert war. Er wurde rot, lächelte und
entschuldigte sich. »Ich glaube nicht daran. Er sollte in
nur einem Jahrhundert vollendet sein. Ich bin wie meine Eltern, ein
Himmelsfahrer.«
    »Es gibt keinen Fortschritt, das ist der Punkt. Dein Kaiser
ist vom Weg abgekommen, und die Zehntausend Jahre haben Fortschritt
gegen Unsterblichkeit verhandelt. Sie haben das Leben eines jeden auf
dem Mars verschachert.«
    »Wie Anführer überall.«
    »Mensch, Lee, wie ist jemand, der so jung wie du ist, so
zynisch geworden?« Ihr Lächeln war noch immer dasselbe,
jäh und strahlend.
    »Ich habe früh angefangen, unter der Anleitung meines
Urgroßvaters.«
    »Auf wessen Seite steht er?«
    »Auf der eigenen, wie alle der Zehntausend Jahre. Ihre
Bedürfnisse überschneiden sich, aber das ist
alles.«
    »Du bist Biologe, Lee. Du weißt, was der
Ökosphäre des Mars zustoßen wird, wenn nicht jemand
dafür sorgt, daß das ganze freigesetzte Wasser nicht
wieder eingeschlossen wird. Etwas Dramatisches.«
    »Dies ist kein Traum, nicht wahr?«
    »Man glaubt gewöhnlich, daß Träume eine Weise
sind, neue Informationen zu sammeln. Das tust du gerade.«
    »Der Bibliothekar hat etwas Ähnliches gesagt. Vor einer
Weile. In einem anderen Traum, der kein Traum gewesen ist. Dies
geschieht wegen der Maschinen, die du mir ins Blut gesetzt hast,
nicht wahr? Die Viren.«
    In dem Wind, der von den Klippen heraufwehte, hob sich Miriams
schwarzes Haar um ihre Schultern. Das traurige Horn tönte noch
immer aus der Nebelbank, die nun auch die Brücke verschluckt
hatte. Das Sonnenlicht hatte einen kühlen Unterton. Sie sagte:
»Die Cowboys sind vielleicht imstande, uns zu helfen, Lee. Die
Viren versuchten, einen Teil meiner Erinnerungen zu
verschlüsseln, aber es hat nicht allzu gut funktioniert. Nicht
überraschend, wirklich, denn die Maschinen waren niemals dazu
entworfen, in ein anderes Nervensystem einzulesen. Aber sie haben
herausgefunden, daß andere Viren bereits in dir an der Arbeit
sind. Sie haben den Bibliothekar gefunden.«
    »Nein. Er ist ein Archivprogramm, das ein Freund für
mich geschrieben hat. Über ihn habe ich mich durch die
allgemeinen Datenbanken gewunden und nach Information
gesucht…« Nach Information über seine Eltern. Lee
sagte: »Mein Urgroßvater.«
    »Jemand hat einen RAM-Chip in deinen visuellen

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