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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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du
mich übertreffen könntest.«
    »Dann bin ich froh, daß du nicht den Kampf
wählst«, sagte Lee. Er lockerte den Druck auf Falkes Arme
und ließ den Glasdolch fallen.
    In diesem Augenblick brach die Türe hinter Chen Yao auf.
    Zwei Menschen sprangen in den Raum. Beide waren mit kurzen
Lasergewehren bewaffnet. Beide waren in glänzende schwarze
einteilige Druckanzüge gekleidet. Einer war der Colonel, der
damals im Danwei von Bitterwasser Lee mit Miriam hinaus in den
Sturm geschickt hatte. Der andere – unmöglich! – war
Miriam selbst.

 
     

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    Ein schnittiger Wagen, dessen tränenförmige Karosserie
aus einer einzigen Scheibe polarisierten Glases geformt war, wartete
draußen vor dem Tor von Falkes Haus. Von außen war er
schwarz und blickdicht verspiegelt; von ihnen völlig
durchsichtig. Als der Wagen zur Wache raste, wobei er Radfahrer
auseinanderscheuchte und im Zickzack um langsam fahrende
Straßenbahnen herumfuhr, schienen sein halbes Dutzend
Drehstühle über der dahinjagenden Straße zu treiben,
ohne daß es eine sichtbare Stütze gegeben hätte.
    Der Colonel und die Frau, die genauso aussah wie Miriam Makepeace
Mbele, saßen Chen Yao und Wei Lee gegenüber, die
Lasergewehre nicht genau auf sie gerichtet, jedoch mit einer Haltung,
die nahelegte, daß sie dies auch nicht nötig
hätten.
    »Sie ist nicht wirklich Miriam«, flüsterte Chen
Yao.
    »Ich weiß«, flüsterte Lee zurück.
    »Ruhe!« schnauzte der Colonel.
    Es war das erste, was er gesagt hatte, seitdem er dem Fahrzeug
befohlen hatte, sich in Bewegung zu setzen. Die Frau hatte bislang
kein Wort gesprochen. Ihr glänzender schwarzer Anzug schmiegte
sich so eng an ihren schlanken Körper, daß Lee verlegen
wurde. Ihre Augen waren hinter getönten Gläsern verborgen,
die sich immer wieder überzogen: Video-Schatten. Ihr Gesicht war
das von Miriam, und wie bei Miriam war das Haar auf ihrem
ausgeprägten Schädel kürzest geschnitten, aber ihre
Haut war nicht so prächtig schwarz wie Miriams Haut, eher von
der Farbe von Tee. Eine alte, halbmondförmige Narbe säumte
ihre Schläfe. Lee entsann sich, daß Miriam ihm
erzählt hatte, sie hätte viele Schwestern, alle aus der
gleichen genetischen Reihe herausgezogen, Söldner, die vor der
Geburt ge- und verkauft wurden und die Namen ihrer Besitzer
annahmen.
    Er fragte den Colonel, wobei er erstaunt darüber war, die
Stimme ruhig halten zu können: »Wie heißt Ihre
Freundin?«
    »Die Ähnlichkeit ist erstaunlich, stimmt’s? Sie ist
Mary Makepeace Doe. Eine Freibeuterin. Bitte, Mr. Lee, keine weiteren
Fragen. Ich habe nicht die Autorität, sie zu
beantworten.«
    »Wer dann? Mein Urgroßvater?«
    Der Colonel, Urgroßvater Weis Handlanger, hob die Schultern.
Er wirkte verlegen.
    Lee konnte sich nicht bremsen. Er sagte: »Er oder irgendein
anderer der Zehntausend Jahre. Ich weiß, Sie haben meine Eltern
getötet, Sie Schweinehund. Ich weiß nicht einmal Ihren
Namen.«
    »Ich habe lange Zeit für Ihren Urgroßvater
gearbeitet«, sagte der Colonel ruhig.
    Ärger kochte in Lees Blut. Nicht, weil der Colonel die Schuld
zugegeben hatte, indem er Lees Anklage nicht geleugnet hatte, sondern
weil es ihm nichts auszumachen schien.
    Mary Makepeace Doe schien sich kaum zu bewegen, aber ihr Gewehr
war jäh auf Lees linkes Auge gerichtet. Er fuhr zurück, und
das Gewehr folgte, obgleich die Söldnerin ihn nicht einmal
ansah.
    Der Colonel sagte: »Ich weiß nichts von Ihren Eltern,
Wei Lee. Ich habe vieles für Ihren Urgroßvater
getan.«
    »Sie haben für ihn getötet.«
    »Sie sind noch immer wegen dem wütend auf mich, was bei
unserer letzten Begegnung geschehen ist. Ich verstehe das. Aber
betrachten Sie es doch einmal so: wenn ich Ihnen nicht… geholfen
hätte, wären Sie nicht dort, wo Sie jetzt sind.«
    »Oh. Dann muß ich mich bei Ihnen sowohl dafür
bedanken, daß Sie mich zum Flüchtling, als auch
dafür, daß Sie mich zur Waise gemacht haben.«
    Der Colonel sagte mit ruhiger Stimme: »Sie sind eine wichtige
Person, Wei Lee. Was Sie bei sich tragen, ist eine Menge wert…
sagen Sie mir, sind Sie kürzlich von seltsamen Träumen
belästigt worden?«
    »Nur von Ihrem Tod.«
    Der Colonel lächelte. »Du brauchst mich nicht
anzulügen, Miriam. Oder vielleicht hast du es noch nicht richtig
begriffen. Spielt keine Rolle. Bald wird dir alles klar
sein.«
    Lee blickte weg, obgleich es offensichtlich war, daß sie
wußten, was ihm zugestoßen war. Schließlich hatte
er, in aller Unschuld,

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