Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
Vom Netzwerk:
außen
am Wagen festklammerten, glotzten ihn an, als er sich hinaus in den
sandigen Wind lehnte. Die Pfeife der Lokomotive schrillte weit vorn
vor der glatten Schlange des Zugs. Er näherte sich der sumpfigen
Grenze des von der Stadt in Anspruch genommenen Landes. Hütten
zerbröselten in verlassenen Feldern, eine abgewrackte
Schmelzwasserfabrik stand in einem weiten Becken eingetrockneten
Schlamms. Niedrige schwarze Bäume und Strecken ockerfarbenen
nackten, felsigen Bodens wechselten sich ab.
    Rufe hinter ihm, und die heisere Stimme der Söldnerin hob
sich über sie.
    Lee stellte eine verzweifelte Berechnung an und sprang.
    Hände streckten sich aus, ihn zu packen: Fahrgäste im
Versuch, ihn vor sich selbst zu schützen. Das Donnern des Zugs
erfüllte ihm die Ohren, und Lee fiel durch die Luft und schlug
auf dem Kies des Bahndamms auf. Er rollte und schlug
Purzelbäume, der Aufprall hatte ihm die Luft
herausgedrückt, und er fing sich in einem Gewirr von
Dornengestrüpp. Er brauchte lang, sich aus der Umklammerung der
dornigen Stämme zu lösen. Der Zug war verschwunden, doch
oben auf dem Bahndamm sang das Gleis noch immer von der
Vorüberfahrt.
    Lee spie ein Mundvoll körnigen Staubs aus. Die rechte
Körperseite war zerkratzt und wund unter dem Dornenkleid, und er
hatte sich das linke Knie schlimm aufgeschlagen. Aber er war frei,
frei zu wählen, ob er in die Stadt oder in Richtung auf die
Wüste gehen wollte. Es war keine richtige Wahl, aber er
wußte, wohin er zu gehen hätte.
    Er humpelte den steilen Hang aus herabrutschenden trockenen
Steinen zur Spitze des Bahndamms hinauf. Ausgedörrtes Marschland
erstreckte sich zu beiden Seiten unter einem Schleier in dem kalten
Nachmittag. Dahinter lag die Aussicht auf trockene rote Ebenen.
    »Sieh dir alles an, was du willst«, sagte jemand hinter
ihm.
    Lee wäre fast aus den Kleidern gefahren, dann packte ihn
etwas von innen, und er wirbelte, geduckt wie ein Kämpfer,
herum. Das Gewehr der Söldnerin war genau auf sein Gesicht
gerichtet.
    Sie sagte: »Ich fänd’s toll, wenn du es
ausprobieren würdest. Aber ich habe Befehle.« Ihr
Lächeln war wie Stahl unter ihren Videoblenden. An den Knien
ihres engen Lederanzugs waren abgeschabte Stellen, doch ansonsten war
sie ziemlich gelassen. Sie mußte fast im gleichen Augenblick
wie Lee aus dem Zug gesprungen sein und war im Kreis
zurückgegangen, um ihm einen Hinterhalt zu legen.
    Lee legte die Hände vor der Brust zusammen und verneigte sich
in bitterer Unterwürfigkeit. Und Mary Makepeace Doe drosch ihm
den Lauf ihrer Waffe gegen die Schläfe.

 
     

----
44
     

----
     
     
    Fast den größten Teil des kühlen äquatorialen
Nachmittags über gingen Wei Lee und die Söldnerin die
Bahnlinie auf dem Damm entlang. Vielmehr, Lee humpelte, und die Seite
seines Kopfs war angeschwollen und schmerzte heftig. Sein
staubbedecktes Haar fiel ihm immer wieder über die Augen. Der
Bahndamm schrumpfte vor ihm dahin, er durchquerte die
Marschländer in Richtung auf den Anfang der kraterdurchsetzten
Ebene am Horizont.
    Klares helles Sonnenlicht und knochentrockene Luft sog ihm die
Körperflüssigkeit aus, während er dahinhumpelte. Nach
einigen Stunden hätte er getötet, um den steinigen Abhang
des Bahndamms in einen der schaumigen Sickerstellen des Marschlands
hinabzurollen, eher schlammiger Sand als Wasser, aber wenigstens feucht. Vergangene Nacht war er fast ertrunken, und jetzt
starb er vor Durst. Es war, als wären die Qualen eines ganzen
Lebens in wenige Stunden zusammengepreßt worden. Er konnte
nicht einmal den Sender des Kings einstellen; der war noch immer
gestört.
    Die Söldnerin erlaubte ihm nicht, den Schritt zu
verlangsamen. Offensichtlich hatte der Plan darin bestanden,
daß der Zug zum Kriechtempo verlangsamte, so daß sie und
Lee absteigen könnten, doch Lee hatte das um ein Dutzend
Kilometer vorweggenommen. Sie hatten eine gewaltige Entfernung zu
überwinden. Sie verließen den Bahndamm nur, wenn die
Gleise ihre Warnung vor einem vorüberkommenden Zug sangen, und
Mary Makepeace Doe ließ nicht zu, daß Lee sich von ihr
entfernte. Es geschah dreimal, und nach dem letzten Mal sagte sie:
»Es wird keine weiteren mehr geben.«
    Lee fragte, woher sie das wüßte.
    »Weil das die Abmachung mit dem Kleinen Vogel ist. Unsere
Leute hinaus als Austausch gegen eine Waffenruhe.«
    »Also hast du verloren.«
    »Ein zeitweiliger Rückschlag. Er ist nicht wichtig. Der
Kleine Vogel glaubt, daß er die Konservativen überlisten
kann,

Weitere Kostenlose Bücher