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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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aber er wird den Preis dafür bezahlen. Mach schneller,
verdammt!«
    Wenn sie die Effekte der Sonne und der trockenen Luft
verspürte, so zeigte sie kein Anzeichen davon, außer
daß sie sich ein Gel auf die Lippen geschmiert hatte. Als sie
schließlich den Treffpunkt erreichten, sah sie stark und
unnachgiebig aus wie eh und je.
    Ein Wohnwagen, eine fette, segmentierte Silberröhre, die
aussah wie eine industriemäßig entworfene Insektenlarve,
war am Fuß des Bahndamms geparkt, neben dem Rand der
Bittersümpfe. Über den Abwärmeflossen seiner
Energieeinheit erzitterte die stille Luft des Nachmittags in
durchsichtigem Glanz. Um den Wohnwagen herum warfen verkümmerte
Dornenbüsche spinnenhafte schwarze Schatten zwischen die
zerfurchten Felsen, die wie erhitztes Eisen im nachmittäglichen
Sonnenlicht glühten.
    »Geh runter«, sagte die Söldnerin und stach Lee ins
Kreuz, hart genug, daß es schmerzte.
    Lees verletztes Knie brachte ihn auf halben Weg den Bahndamm hinab
aus dem Gleichgewicht. Er rutschte den Rest des Weges auf dem Hintern
hinunter, wobei er wieder einmal in einem Gewirr dorniger Stämme
zum Halt kam. Offensichtlich waren die Büsche entworfen worden,
um den Sturz von Reisenden abzubremsen und ihnen dann das Blut
auszusaugen. Es tat fast gut, sich in ihrem stechenden Griff zu
entspannen.
    Ein Schatten legte sich vor den harten rosafarbenen Himmel und das
Gefieder hoher Wolken. Mary Makepeace Doe zog Lee auf die
Füße, und der Schmerz, als Hautfetzen an umklammernden
Dornen hängen blieben, weckte ihn aus seiner Benommenheit.
    Er war imstande, vor der Söldnerin auf den segmentierten
silbernen Wohnwagen zuzustolpern, aber gerade, als er dessen Schatten
erreichte, verdrehten sich seine Füße unter ihm, und die
harte Oberfläche der Welt schlug mit jedem gnadenlosen Gramm
ihrer Masse gegen seinen geschundenen Körper.

 
     

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45
     

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    Lee befand sich in einem summenden Raum aus leuchtendem Metall und
weißem Licht. Ein durchscheinender Beutel, der an seinen
Ellbogen geklebt war, zerknitterte langsam, während er
Kochsalzlösung in eine Vene pumpte. Ein nasser Schwamm war ihm
auf die zersprungenen Lippen gelegt worden, und er saugte gierig den
Rest der Feuchtigkeit heraus. Zwei Wärter, kleine, adrette,
scharfgesichtige Männer, in einem unbestimmbaren Alter zwischen
fünfzehn und fünfundzwanzig, die Zwillingsbrüder sein
mochten, streiften ihm die staubigen Kleider ab, steckten ihm Nadeln
in die Gelenke gegen den Schmerz und verbanden ihm die
Abschürfungen. Schließlich nahmen sie den inzwischen
leeren Kochsalzbeutel ab. Dann halfen sie ihm in weiche, saubere
Hosen aus ungebleichtem Leinen und in ein rohseidenes Hemd. Sie
schmierten ihm sogar das Haar ein, so daß es annähernd
wieder seine ursprüngliche Frisur hatte.
    Während sie arbeiteten, sprachen die beiden Wärter in
einer Sprache miteinander, die Lee nie zuvor gehört hatte. Sie
benutzten Gesten und knufften ihn, um ihm verständlich zu
machen, was sie von ihm wollten, als würden sie ein
fügsames, jedoch dummes Tier behandeln.
    Sie drückten und pieksten ihn, bis er aufstand, und zerrten
ihn durch eine schmale niedrige Luke in einen luftigen Raum, der von
Farbe erfüllt war.
    Der Raum war ein Zelt, errichtet an der gekrümmten silbrigen
Seite des Wohnwagens. Fünf Personen drehten sich um und blickten
ihn an, als er hindurchtrat. Eine war die Söldnerin, ihre
Lederkleidung war noch immer staubig; bei ihr ein Mann, in Weiß
gekleidet ebenso wie Lee, und ein sehr kleiner Junge. Aber Lee
bemerkte sie kaum, weil er sah, daß Chen Yao ebenfalls da
war.
    Sie saß mit ernstem Gesicht in einem großen
rechteckigen Sessel in einer Ecke des durch ein Zelt gebildeten Raums
und ließ die Füße über dem Teppich baumeln. Der
Colonel stand hinter dem Sessel, eine Hand ruhte auf seiner Lehne,
genau über Chen Yaos Kopf. Adrett und elegant in seiner Uniform
hob er den Kopf, eine formale Anerkennung von Lees starrem Blick. Lee
versuchte ihn mit seinem Willen gleich hier und jetzt zu töten,
aber psychische Kräfte waren nicht Teil des Geschenks der
Viren.
    Jemand trat vor Lee. Es war der Mann in Weiß. Er war sehr
groß und dünn, und seine Haut war so bleich, daß er
gut und gern blutleer hätte sein können. Er polierte einen
roten Apfel an seinem Seidenhemd, biß genüßlich
hinein. Kauend sagte er: »Sei froh, daß du endlich hier
bist, Wei Lee. Und auch Miriam, wenn du zuhörst.« Er nahm
einen weiteren Bissen von dem Apfel. »Sie

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