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Roter Zar

Roter Zar

Titel: Roter Zar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Eastland
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Mund«, erwiderte der Offizier. Er faltete die Papiere zusammen und gab sie Anton zurück. »Sie dürfen passieren.«
    Der zweite Wachmann schob seine Waffe ins Holster zurück.
    »Erzählen Sie niemandem davon, was Sie hinter der Sperre zu sehen bekommen«, sagte der Offizier. »Fahren Sie direkt durch. Sie dürfen nicht anhalten oder mit irgendjemandem sprechen. Verhalten Sie sich völlig normal. Nach dem Dorf werden Sie auf eine weitere Straßensperre treffen. Erzählen Sie auf keinen Fall, was Sie gesehen haben. Verstanden?«
    »Was um alles in der Welt geht hier vor sich?«, fragte Kirow. Er war ganz blass im Gesicht.
    »Das werden Sie früh genug erfahren«, erwiderte der Offizier. »Noch haben Sie Zeit, es sich anders zu überlegen.«
    »Wir haben keine Zeit.«
    »Wie Sie wollen«, antwortete der Wachmann. Er wandte sich an seinen Gefährten: »Hol ein paar Äpfel«, sagte er.
    Der andere verschwand in der Hütte. Als er zurückkam, stellte er eine Holzkiste auf die Motorhaube. Darin lagen, in schwarzes Tuch gewickelt, ein halbes Dutzend wunderbarer Äpfel. Er reichte jeweils einen den Männern.
    Erst als Pekkala ihn in der Hand hielt, bemerkte er, dass die Äpfel aus sorgfältig bemaltem Holz waren.
    »Was soll das?«, fragte Kirow.
    »Wenn Sie durch das Dorf fahren«, sagte der Offizier, »nehmen Sie die Äpfel in die Hand, als wollten Sie gerade reinbeißen. Achten Sie darauf, dass man Sie dabei sieht. Für die Dorfbewohner sind die Äpfel das Zeichen, dass Sie eine Passiererlaubnis haben. Wenn Sie nicht genau tun, was ich Ihnen sage, riskieren Sie, erschossen zu werden.«
    »Warum können wir nicht mit ihnen reden?« Kirow wollte nicht lockerlassen.
    »Keine Fragen mehr«, sagte der Offizier. »Achten Sie darauf, dass man Sie mit den Äpfeln in der Hand sieht.«
    Die beiden Männer hoben den schweren Balken beiseite, der die Straße blockierte.
    Kirow fuhr den Emka hindurch.
    Pekkala starrte auf den Apfel. Unterhalb des hölzernen Stiels war sogar ein kleines grünes Blatt gemalt. Sie fuhren an Feldern mit leuchtend gelben Sonnenblumen vorbei. Weit draußen in den wogenden Gerstenfeldern sahen sie Frauen mit weißen Kopftüchern, sie standen auf Karren und nahmen die Körbe in Empfang, die die Männer am Boden ihnen reichten.
    »Die Körbe sind ja leer«, bemerkte Kirow leise.
    Im Dorf, das sie bald darauf erreichten, wimmelte es von Menschen. Alles sah sauber und wohlhabend aus. Frauen trugen Kleinkinder auf den Hüften. In den Schaufenstern stapelten sich Brotlaibe, Obst und Fleisch. Kein Vergleich zu den morastigen Straßen und unglücklichen Einwohnern von Oreschek. Eine Gruppe von Frauen und Männern trat gerade aus der Versammlungshalle des Dorfes. Nach ihrer Kleidung und den Haarschnitten zu schließen, waren sie allesamt Westeuropäer oder Amerikaner, manche hatten Ledertaschen und Kameras bei sich, andere aufgeschlagene Notizblöcke, in die sie eifrig kritzelten.
    Leiter der Gruppe war ein kleiner Mann mit Nickelbrille. Sein dunkler Anzug stammte aus einer russischen Schneiderei, wie sich aufgrund der Jackettlänge und des weiten Revers eindeutig sagen ließ. Der Mann strahlte übers ganze Gesicht, deutete in diese und gleich darauf in die andere Richtung, und die Köpfe der Ausländer drehten sich hin und her und folgten seiner Hand, als würden sie wie in Trance der pendelnden Uhr eines Hypnotiseurs folgen.
    »Journalisten«, flüsterte Anton.
    Der Mann im dunklen Anzug wandte sich von seiner Zuhörerschaft ab und starrte dem vorbeifahrenden Wagen nach. Das Lächeln schwand aus seinem Gesicht und machte einer finsteren Miene Platz.
    Anton winkte ihm mit dem Apfel zu.
    Einer der Journalisten hob seine kleine Kamera und machte ein Foto vom Wagen.
    Die anderen Journalisten beugten sich vor, reckten die Hälse und wollten ebenfalls einen Blick auf den vorüberfahrenden Wagen erhaschen.
    Der Mann im Anzug drehte sich zu den Journalisten um, wieder ging ein Strahlen über sein Gesicht.
    Pekkala musterte die Menschen auf der Straße. Sie machten alle einen glücklichen Eindruck … bis er einen Mann entdeckte, der allein auf einer Bank saß und eine Pfeife rauchte. In seinem Blick lag nichts als Angst.
    Am anderen Dorfende befand sich der Bahnhof. Das einzige Gleis vollführte eine weite Schleife, so dass der Zug in die Richtung zurückfahren konnte, aus der er gekommen war. Der Zug war für die Rückfahrt schon bereitgestellt. Schwarze Vorhänge hingen vor den Fenstern der beiden olivgrünen und mit

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