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Roter Zar

Roter Zar

Titel: Roter Zar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Eastland
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schwer miteinander getan, aber wenn ich Ihnen irgendwie behilflich sein kann, dann wissen Sie, wo Sie mich finden.«
    Pekkala dankte ihm und schloss die Tür.
    Anton hatte sich fest in eine Decke gewickelt und schlief immer noch.
    Pekkala riss ihm mit einem heftigen Ruck die Decke weg, und Anton wurde auf den nackten Boden gerollt. »Was ist los?«
    »Katamidse!«, sagte Pekkala. »Der Anruf aus Wodowenko! Warum hast du uns letzte Nacht nichts gesagt?«
    Anton setzte sich auf und sah ihn mit trüben Augen an. »Ich wollte es euch am Morgen erzählen.« Zwischen den Samtvorhängen drangen die ersten Strahlen des Sonnenlichts ins Zimmer, Staubkörnchen schwebten im milchigen Licht. »Na, scheint ja schon Morgen zu sein, dann kann ich es euch also jetzt erzählen.«
    »Wir hätten schon vor Stunden aufbrechen können.« Pekkala warf Anton seine Kleidungsstücke ins Gesicht. »Zieh dich an! Wir fahren. Sofort!«
    Kirow erschien aus der Küche. »Zum Frühstück gibt’s Armeefleisch, gebraten!«, verkündete er.
    Pekkala rauschte an ihm vorbei und hinaus in den Hof.
    Kirows Lächeln schwand. »Was ist los?« Dann drehte er sich zu Anton um und wiederholte die Frage.
    Anton zog seine Stiefel an. »Sehen Sie zu, dass Sie in den Wagen kommen«, sagte er.
    Zehn Minuten später waren sie unterwegs.
    Auf ihrem Weg nach Süden mussten sie erneut durch das Dorf der zeitweiligen Lügen. Wieder war ihnen durch die Schranke der Weg versperrt, das Wachhäuschen war abgesperrt, aber unbesetzt.
    Sie entfernten die Schranke, und schon bald darauf fuhren sie über die Hauptstraße der Ansiedlung. Das Dorf war wie ausgestorben, als wäre die gesamte Bevölkerung geflohen und hätte die Läden zurückgelassen, in deren Schaufenstern sich Brot, Fleisch und Obst stapelten. Als Pekkala ausstieg, stellte er fest, dass alles hinter den Scheiben aus Wachs war. Sie hielten am kleinen Bahnhof und ließen den Blick über die leeren Gleise schweifen, die sich bis zum Horizont erstreckten. Ein Besen war an eine der Säulen des Bahnhofdachs gelehnt.
    Keiner von ihnen sagte etwas. Die Leere um sie herum schluckte jeden Laut.
    Pekkala musste an die Gesichter der Menschen denken, die sie beim ersten Mal gesehen hatten, an ihre Angst, die sich hinter ihrem Lächeln abgezeichnet hatte.
    Sie stiegen ein und fuhren weiter.
    In Wodowenko wurden sie von dem rothaarigen Aufseher empfangen.
    »Sie kommen zu spät«, sagte er.
    Pekkala stieg aus. Vom langen Sitzen im engen Emka tat ihm alles weh. »Was meinen Sie, wir kommen spät?«
    »Nicht spät«, antwortete der Aufseher. »Zu spät.«
    »Was ist passiert?«
    »Wir wissen es nicht genau. Wir gehen von einem Selbstmord aus.«
    Die drei Männer machten sich nicht die Mühe, sich einzutragen, der Aufseher fragte auch nicht nach ihren Waffen. Sie eilten durch die Stahltür und die Gänge, bis sie in einen Raum kamen, dessen Boden und Wände bis auf Brusthöhe weiß gefliest waren. Vier große Lampen hingen von der Decke. Es war das Leichenschauhaus.
    Katamidses Leichnam war auf einem Metalltisch aufgebahrt, Beine und Unterleib wurden von einem Baumwolltuch bedeckt. Die Lippen, Lider und die Nasenspitze waren fleckig blau angelaufen, die übrige Haut war so blass wie die Fliesen an der Wand. Die Füße, die zur Tür hin zeigten, ragten unter dem Tuch heraus. Am großen Zeh des rechten Fußes war mit Draht eine Metallscheibe befestigt, auf ihr war eine Nummer gestempelt. Die Zehennägel schimmerten gelblich wie die Schuppen eines Fisches.
    Anton lehnte sich an die Wand neben der Tür, den Blick starr auf den Boden gerichtet.
    Kirow, zu neugierig, um sich abschrecken zu lassen, blieb Pekkala dicht auf den Fersen.
    »Gift?«, fragte Pekkala.
    »Ja«, bestätigte der Aufseher.
    »Zyanid?«
    »Eine Lauge«, antwortete der Aufseher.
    Vorsichtig legte Pekkala Katamidse die Hand aufs Gesicht und zog ein Augenlid auf. Geplatzte Äderchen hatten den Augapfel rot verfärbt. Als er den Bereich um die Augen näher untersuchte, bemerkte er eine leichte Rötung, die sich vom Wangenknochen bis zur Stirn hinaufzog. Pekkala strich mit den Fingern am Hals des Toten entlang und prüfte die Haut. Als er den Kehlkopf erreichte, verharrten seine Finger auf dem fragilen Knorpelgebilde. Es gab unter leichtem Druck nach, was darauf hinwies, dass es eingedrückt worden war. Der Täter hatte ihm also den Hals zugedrückt, bis er sicher war, dass Katamidse nicht überleben würde. An der Erdrosselung aber war er nicht gestorben. »Wo hat man

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