Roter Zar
Boden fallen und rollte sich zusammen.
Das Wasser sprühte unaufhörlich auf ihn nieder.
Es war warm.
Nach einer Weile hob er den Kopf. Alles, was er sah, war das Wasser, das auf ihn niederging. Der Brotkanten in seiner Hand bildete Schaumbläschen, und erst jetzt begriff er, dass es Seife war. Er rieb sich damit das Gesicht ein.
Wasser ergoss sich über seinen Körper und floss, schwarz vor Dreck, in einen Abfluss in der Ecke. Pekkala richtete sich auf den Knien auf, senkte das Kinn gegen die Brust, stützte sich mit den Händen auf den Oberschenkeln ab und blieb unter dem Wasserstrahl, der in seinen Ohren dröhnte.
Irgendwann ertönte ein quietschendes Geräusch, und das Wasser wurde abgedreht.
In seiner durchtränkten Kleidung trat Pekkala hinaus. Trotz der Dusche waren seine Nasenlöcher immer noch mit Blut verkrustet, dessen metallischer Geschmack ihm am Gaumen klebte.
»Hände auf den Rücken«, befahl der Wärter.
»Nur ein Schritt nach links oder rechts …«, sagte Pekkala.
»Maul halten«, sagte der Wärter.
Pekkala und die beiden Wärter marschierten durch einen anderen Gang, bis sie zu einer schweren nietenbeschlagenen Eisentür kamen. Die Tür stand offen. Feuchte Luft schlug Pekkala entgegen. Dann führten die Wärter ihn eine lange, von Glühbirnen in Metallkäfigen beleuchtete Wendeltreppe hinunter.
Das Kellergeschoss, dachte Pekkala. Sie bringen mich in den Keller. Jetzt erschießen sie mich. Er war froh, dass er nicht mehr in den Kamin zurück musste. Seine Seele hatte sich verflüchtigt. Sein Körper fühlte sich an wie ein kleines leckendes, fast schon im Wasser versunkenes Boot.
S ind Sie sich sicher?«, fragte Kirow, als er den Emka durch die Tore von Wodowenko steuerte.
»Sie stellen es als Selbstmord hin«, sagte Pekkala, »aber das war es nicht.«
»Wir sollten aus Swerdlowsk verschwinden«, sagte Anton. »Sofort. Am besten, wir fahren gar nicht mehr zurück, um unsere Sachen zu holen.«
»Nein«, erwiderte Pekkala. »Wir werden mit den Ermittlungen weitermachen. Wir kommen der Sache näher. Der Mörder kann nicht mehr weit sein.«
»Aber vielleicht sollten wir uns nach einem Aufenthaltsort umsehen, der sicherer ist als das Ipatjew-Haus«, sagte Kirow.
»Er soll ruhig denken, dass wir verwundbar sind«, antwortete Pekkala. »Wenn der Mörder der Romanows weiß, dass wir ihm dicht auf den Fersen sind, dann weiß er auch, dass er sich nicht mehr verstecken kann, und dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis er kommt, um uns zu suchen.«
Es war Morgen.
Pekkala saß auf einem umgedrehten Kübel neben der Wasserpumpe, der Webley lag neben seinem Fuß. In die Beuge des Pumpenschwengels hatte er einen Handspiegel aus poliertem Stahl gelehnt. Pekkala hatte sich das Gesicht eingeseift und fuhr sich mit dem Rasiermesser über das Kinn.
Er war müde, nachdem er nur zwei Stunden geschlafen hatte. Nach der Rückkehr aus Wodowenko hatten die drei Männer die gesamte Nacht hindurch abwechselnd Wache gehalten; das wollten sie jetzt jede Nacht tun, bis die Ermittlungen abgeschlossen waren.
In diesem Moment spähte ein Gesicht um die Ecke des Innenhofs.
Pekkala griff zur Waffe.
Das Gesicht verschwand. »Ich bin es nur!«, war eine Stimme hinter der Mauer zu hören. »Ihr alter Freund, Majakowski.«
Pekkala legte den Revolver ab. »Was wollen Sie?«, fragte er.
Vorsichtig trat Majakowski in den Hof. Auf den Armen trug er einen Binsenkorb. »Ich bringe Geschenke!«, sagte er. »Ein paar Sachen, die Kirow angefordert hat.« Majakowski sah zum Revolver. »Heute ein wenig nervös, Inspektor?«
»Ich habe allen Grund dazu.«
»Sie rasieren sich, wie ich sehe. Ja. Das ist gut für die Nerven. Ja.« Majakowski lachte fahrig. »Ockham hätte seine Freude gehabt.«
»Was?«
»Ockhams Rasiermesser.« Er deutete auf die Klinge in Pekkalas Hand. »Die einfachste Erklärung, die den Tatsachen entspricht …«
»… ist gewöhnlich auch die richtige«, sagte Pekkala. Er fragte sich, woher Majakowski das hatte. »Was führt Sie hierher?«
»Na, man könnte sagen, Ockham führt mich hierher, Inspektor Pekkala.«
Pekkala schabte sich mit dem Messer über den Hals, wischte den Schaum von der Klinge und setzte sie erneut an.
Majakowski stellte den Korb auf die Türstufe und ließ sich daneben nieder. »Mein Vater war von den Ipatjews als eine Art Hausmeister angestellt. Als ich klein war, habe ich hier immer auf ihn gewartet, bis er mit seiner Arbeit fertig war. Damals habe ich mir
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