Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall
Das Englisch des Mannes klang, als habe er eine heiße Kartoffel im Mund. Kieffer konnte den seltsamen Akzent nicht ganz verorten, möglicherweise war er Skandinavier.
Der Koch blinzelte ratlos. »Einklinken? In die Steckdose? Ich verstehe nicht ganz …«
»In Ihr Wifi.« Als der Mann sah, dass Kieffer immer noch keine Reaktion zeigte, sagte er betont langsam: »Besitzt Ihr Restaurant eine drahtlose Internetverbindung? Wir müssten da mal rein, denn der Felsen«, er deutete auf den hinter ihnen aufragenden Kirchberg, »und meine WCDMA – Karte vertragen sich nicht. Ich kriege nur GPRS , brauche aber mehr Bandbreite.«
Bevor Kieffer etwas antworten konnte, mischte sich eine weitere Stimme ein: »Unohda. Sillä internet on suuri mysteeri!« Sie gehörte, das erkannte der Koch sofort, keinem anderen als seinem Freund Pekka Vatanen. Der finnische EU – Beamte machte bei solch gutem Wetter abends gerne ein Stündchen früher Schluss, um im »Deux Eglises« eine Flasche seines Lieblingsrivaners zu trinken.
Der Hipster mit der Hornbrille schnaubte vergnügt. Vatanen sagte einen weiteren Satz auf Finnisch, der die am Tisch versammelten Internetexperten kollektiv zum Kichern brachte. Dann legte er Kieffer eine Hand auf die Schulter. »Ich habe das für dich geklärt, Xavier. Zum Dank könntest du mir einen Pinot Blanc besorgen. Ich hatte heute zwei staubtrockene Normierungssitzungen des landwirtschaftlichen Beirats, die machen mich immer wahnsinnig durstig.«
Sie betraten die Gaststätte. Vatanen ließ sich sofort auf seinem Stammplatz an der Bar nieder. Kieffer trat hinter die Theke und entkorkte eine Flasche 2010er Coteaux deRemich für seinen Freund. Dann zündete er sich eine Ducal an. »Was hast du denen erzählt? Sind das Finnen?«
Vatanen nahm die Flasche entgegen und schenkte sich großzügig ein. Nachdem er probiert und den Pinot für gut befunden hatte, sagte er: »Ja, die arbeiten für einen Ableger dieses finnischen Handykonzerns. Irgendein Start-up, das in diesem neuen Bürokomplex da unten sitzt. Ich habe ihnen gesagt, dass du das Internet für ein großes Wunder hältst und dich gerade erst damit angefreundet hast, dass es irgendwie aus der Telefonleitung rauskommt. Und dass sie dich nicht mit dem Gedanken verunsichern sollen«, der Finne imitierte nun mit den Armen Flügelschläge, »dass es jetzt da draußen frei herumfliegt. Aber im Ernst: Wenn du diese Jungs als Kunden behalten willst, solltest du vielleicht mal über so einen Hotspot nachdenken. Der ist denen vermutlich wichtiger als eine funktionierende Toilette.«
Kieffer blies verächtlich Rauch in Richtung der steinernen Decke. »Wer nicht wegen des Essens kommt, der kann mir gestohlen bleiben. Der einzige Hotspot, den wir hier brauchen, ist mein Induktionsherd.«
Er schenkte sich auch etwas von dem Pinot ein. »Aber vergessen wir mal kurz diese Internetfuzzis. Ich muss mit dir über etwas anderes reden.«
Vatanen hob spöttisch die rechte Augenbraue. »Lass mich raten: Beziehungsprobleme? Madämmchen außer Rand und Band?«
Der Koch schüttelte energisch den Kopf. »Nein. Eher Probleme mit einem toten Koch.«
»Schon wieder? Vielleicht solltest du doch mal an deiner Speisekarte …«
Kieffer seufzte. Ihm war klar gewesen, dass Vatanensich diesen Witz nicht würde verkneifen können. Im vergangenen Jahr war ein Kritiker des renommierten Guide Gabin unter mysteriösen Umständen in seinem Restaurant ums Leben gekommen. Der Fall war zum Glück aufgeklärt worden und der Ruf des »Deux Eglises« hatte keinen bleibenden Schaden genommen. Trotzdem liebte es der Finne, die Geschichte immer wieder für den einen oder anderen blöden Spruch heranzuziehen. Kieffer fand das Ganze nur begrenzt komisch, aber was konnte man schon machen? Feinfühligkeit gehörte eben nicht gerade zu Vatanens ausgeprägtesten Charaktereigenschaften.
»Nicht hier, Pekka. In Paris. Der Tote heißt Ryuunosuke Mifune und war ein bekannter Sushikoch. Ich habe gesehen, wie er starb.«
»Aha. Und wieso warst du während seines Hinschieds zugegen?«
»Valérie hat mich hingeschleppt. Es war ein Dinner auf Einladung des Pariser Bürgermeisters. Der ist einer ihrer Bekannten oder Freunde, was weiß ich.«
Vatanen pfiff anerkennend durch die Zähne. »Also Xavier, durch diese Liaison kommst du ja neuerdings mit gesellschaftlichen Kreisen in Berührung, Donnerwetter.«
Kieffer überging diese Spitze und erzählte seinem Freund, was im Musée d’Orsay und am darauffolgenden
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