Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall
brauchen.«
»Und das wäre?«
»Nun, die Basis guten japanischen Essens«, der Mann machte eine ausladende Handbewegung und zeigte triumphierend auf seine Maschine, »ist natürlich der Reis.«
»Den ich selbst ansetzen muss.«
»Oh nein. Samurai Sushi stellt drüben in Deutschland seinen eigenen Reis her, Sie bekommen ihn von uns fertig geliefert im 50-, 100- oder 200-Liter-Bottich.« Er ging um die Maschine herum und klopfte gegen eine weiße Plastiktonne, die neben dem Nigiri Master 5000 stand.Dann fuhr er in seinem Vortrag fort. »Sie füllen den Essigreis einfach in die Nigiri- oder die Maki-Maschine.« Er zwinkerte Kieffer aufmunternd zu. »Das sind die Röllchen, mit dem Seetang drumherum. Dann kommen unsere Toppings, die sind ebenfalls alle verzehrfertig. Dazu Wasabi, Sojasoße und eingelegter Ingwer – und fertig ist ihr original japanisches Menü.«
»Klingt, als ob das jeder könnte.«
»Sie sagen es, Monsieur. Das ist ja das Fantastische an der japanischen Küche – man muss dafür überhaupt nicht kochen können.«
[Menü]
12
Am Wochenende und am darauffolgenden Montag ließ sein bis auf den letzten Platz gefülltes Restaurant Kieffer kaum Zeit für den Mifune-Fall. Schuld an seinem übervollen Reservierungsbuch waren offenbar die Banker auf dem Kirchberg. Normalerweise war das Finanzviertel oberhalb der Stadt bereits am frühen Freitagnachmittag völlig ausgestorben, weil alle dort arbeitenden Fondsmanager und Investmentspezialisten für das Wochenende in ihre Heimatländer jetteten. An diesem Wochenende fand auf dem Kirchberg jedoch ein internationaler Gipfel der Finanzbranche statt. Einer seiner Gäste hatte Kieffer verraten, dass es dabei um Staatshilfen für die von der Krise geschüttelten Banken ging. Dank dieses Gipfels schien sich die Zahl der Banker eher verdoppelt als halbiert zu haben, und so war er drei Abende hintereinander erst um halb drei ins Bett gekommen.
Am Dienstagmorgen lief er zu Fuß zum Restaurant. Er hatte noch nicht gefrühstückt und wollte vor der Arbeit noch irgendwo einen Kaffee trinken und eine Kleinigkeit essen. Wie an den meisten Tagen steuerte Kieffer zu diesem Zweck das »The Horse & the Hound« an,ein englisches Pub auf der Montée de Clausen. Britisches Essen hielt er gemeinhin für verzichtbar, aber Donnegan, der Besitzer des Etablissements, hatte Sandwiches im Angebot, die zwar einfach, aber vorzüglich waren. Kieffer bestellte an der Bar seinen Favoriten, ein Ploughman’s Lunch. Das Sandwich bestand im Wesentlichen aus scharfem Cheddarkäse und einer köstlichen grünlich-braunen Sauce aus kleinen, essigsauren Gemüsestückchen. Er hatte Donnegan schon mehrfach gefragt, woraus dieser Aufstrich eigentlich bestand, doch die Antwort des Barkeepers fiel stets sibyllinisch bis sarkastisch aus. Er versuchte es dennoch immer wieder, es war ein albernes kleines Spiel, das die beiden schon seit Jahren spielten. »Aus Gemüse« war noch eine der sinnvolleren Antworten, die Kieffer dem dickschädeligen Engländer hatte entlocken können. Als er das Sandwich und den Kaffee entgegennahm, blickte er dem Barkeeper fest in die Augen. »Sagst du es mir heute, Donnegan?«
Der Engländer wischte sich die Hände an seinem Tottenham-Trikot ab und verschränkte die Arme vor der breiten Brust. »Hast du heute Geburtstag, Kieffer?«
»Nein.«
»Dann eher nicht.«
»Nicht wenigstens ein kleiner Hinweis?«
»Die Grundzutaten sind äußerst englisch.«
»Minze und Lammhack?«
»Nein.«
»Sondern?«
»Gin und tote Franzosen.«
Dann drehte sich Donnegan um und begann, Pint-Gläser zu spülen. Kieffer schmunzelte und trollte sich nach draußen. Er setzte sich vor dem Lokal in die Vormittagssonne und ließ sich sein Sandwich schmecken. Als er danach seine obligatorische Ducal rauchen wollte, musste er feststellen, dass er seine Zigaretten zu Hause vergessen hatte. Kieffer stand auf und überquerte die Montée de Clausen, um auf der anderen Seite über einen kleinen Parkplatz zu einem mittelalterlichen Torbogen zu gelangen. Nachdem er diesen durchschritten hatte, fand er sich zwischen der Alzette und einem mittelalterlichen Gemäuer wieder, einem Überrest des nie fertiggestellten Schlosses La Fontaine. Vor über vierhundert Jahren hatte hier ein deutscher Graf residiert, nun befand sich in dem Gemäuer eine Brasserie, die passenderweise »Le Comte« hieß. Kieffer mochte das alte Haus, und das Essen war auch sehr ordentlich. Doch momentan interessierte ihn nur der
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