Roth, Philip
Bienenschwarm abwehren. Mr. Cantor hatte Myron Kopferman in diesem Sommer schon mehrmals ermahnen müssen, er solle damit aufhören und es nicht wieder tun. »Was denn? Was soll ich nicht tun?«, fragte der und verbarg seine Frechheit hinter einem breiten Grinsen. »Ich tappe doch bloß mit dem Fuß, Mr. Cantor - darf ich das etwa nicht?«
»Hör einfach auf, Myron.« Danny, Myrons zehnjähriger Bruder, hatte eine Knallpistole, die wie ein echter Revolver aussah und die er in der Hosentasche mit sich herumtrug, selbst wenn er am zweiten Base stand. Wenn man abdrückte, gab es einen Knall und etwas Rauch. Danny schlich sich gern von hinten an andere Jungen an, um sie zu erschrecken, und Mr. Cantor ließ es ihm durchgehen, weil die anderen keine Angst vor ihm hatten. Aber eines Tages zielte Danny damit auf Horace und sagte ihm, er solle die Hände hochnehmen, und als Horace das nicht tat, drückte Danny fünfmal ab. Der Lärm und der Rauch ließen Horace aufheulen und mit unbeholfenen, plattfüßigen Schritten vor seinem Folterer fliehen. Mr. Cantor konfiszierte die Pistole und schloss sie in einer Schublade seines Schreibtischs ein, zusammen mit den Spielzeug-Handschellen, die Danny zu Beginn des Sommers mitgebracht hatte, um den kleineren Kindern Angst zu machen. Er schickte Danny Kopferman nach Hause und gab ihm, nicht zum ersten Mal, eine Benachrichtigung an seine Mutter mit, in der schrieb, was ihr jüngster Sohn getan hatte. Allerdings bezweifelte er, dass sie den Brief je zu sehen bekommen würde.
Yushi, der Mann mit der senfverschmierten Schürze, der seit Jahren bei Syd's hinter der Theke stand, sagte: »Völlig tot hier.«
»Es ist ja auch heiß«, sagte Mr. Cantor. »Es ist Sommer. Alle sind entweder am Strand oder irgendwo drinnen, wo es kühl ist.«
»Nein, es kommt keiner wegen dem Jungen.«
»Alan Michaels.«
»Ja«, sagte Yushi. »Er hat hier einen Hot Dog gegessen, und dann ist er nach Hause gegangen und hat Kinderlähmung gekriegt und ist gestorben, und jetzt haben alle Angst, hier reinzukommen. Dabei ist das Quatsch. Von Hot Dogs kriegt man keine Kinderlähmung. Wir haben tausende von Hot Dogs verkauft, und keiner, der die gegessen hat, hat Kinderlähmung gekriegt. Aber dann wird ein Kind krank, und sofort heißt es: >Das kommt von den Hot Dogs bei Syd's, das kommt von den Hot Dogs bei Syd's!< Ein gekochtes Würstchen - wie soll man von einem gekochten Würstchen Kinderlähmung kriegen?«
»Die Leute haben Angst«, sagte Mr. Cantor. »Die haben eine Heidenangst, und darum machen sie sich über alles mögliche Sorgen.«
»Es waren diese verdammten Itaker«, sagte Yushi.
»Das ist nicht wahrscheinlich«, sagte Mr. Cantor.
»Doch. Die haben überall hingespuckt.«
»Ich war da. Wir haben alles mit Ammoniak weggewaschen.«
»Sie haben die Spucke weggewaschen, aber nicht die Kinderlähmung. Die kann man nicht wegwaschen. Man kann sie nicht sehen. Sie schwebt in der Luft herum, und wenn man sie einatmet, kriegt man Kinderlähmung. Es hat nichts mit Hot Dogs zu tun.«
Mr. Cantor sagte nichts, sondern aß seinen Hot Dog, hörte I'll Be Seeing You zu Ende und sehnte sich mit einemmal nach Marcia.
I'll be seeing you in every lovely summer's day
In everything that's light and gay,
I'll only think of you that way ...
»Und wenn der Junge nun bei Halem's ein Eis gegessen hätte, dann würde keiner mehr bei Halem's ein Eis essen«, sagte Yushi. »Und wenn er beim Chinesen Chowmein gegessen hätte, dann würde keiner mehr beim Chinesen essen.«
»Vermutlich«, sagte Bucky.
»Und was ist mit dem anderen Jungen, der gestorben ist?«, fragte Yushi.
»Welcher andere Junge?«
»Na, der heute morgen gestorben ist.«
»Wer ist gestorben? Herbie Steinmark?«
»Ja. Der hat nie auch nur einen einzigen Hot Dog hier gegessen.«
»Sind Sie sicher, dass er gestorben ist? Woher wissen Sie das?«
»Irgendjemand kam rein und hat es erzählt. Ein paar Männer.«
Mr. Cantor bezahlte, und dann eilte er, trotz der Hitze und Angst vor ihr, zurück zum Sportplatz, rannte die Treppe zur Kellertür hinunter, schloss auf und ging in sein Büro. Er nahm den Telefonhörer und wählte die Nummer des Beth Israel Hospitals; sie stand auf dem Kärtchen mit Notfallnummern, das an dem Korkbrett über dem Apparat hing. Direkt darüber war eine zweite Karte, auf die er ein Zitat von Joseph Lee geschrieben hatte, dem Begründer der Playground-Bewegung. Mr. Cantor war bei seinem Studium am Panzer College darauf gestoßen,
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