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Rotkäppchen und der böse Wolf

Rotkäppchen und der böse Wolf

Titel: Rotkäppchen und der böse Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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schüttelte den Kopf.
    »Nein. Sehr unwahrscheinlich. N. darf nicht so offenkundig ein Deutscher sein.«
    »Auch keiner, der vor den Nazis geflohen ist?«
    »Auch das nicht. Wir haben ein Auge auf alle feindlichen Ausländer, und das wissen sie natürlich. Außerdem – das ist eine vertrauliche Mitteilung, Beresford – werden alle feindlichen Ausländer zwischen sechzehn und sechzig Jahren binnen Kurzem interniert. Unsere Gegner müssen auf jeden Fall damit rechnen. Sie können es nicht darauf ankommen lassen, dass das Haupt ihrer Organisation interniert wird. N. muss also ein Neutraler oder ein Engländer sein. Von M. gilt das gleiche. Aber Deinim könnte immerhin ein Glied in der Kette sein, wie ich die Sache sehe. Vielleicht hält sich weder N. noch M. persönlich im Sans Souci auf, und Deinim ist ihr Verbindungsmann; er könnte uns also auf ihre Spur führen. Scheint mir gar nicht unmöglich, zumal wohl keiner der anderen Pensionsgäste infrage kommt.«
    »Sie haben schon Erkundigungen über sie eingezogen, nehme ich an?«
    Grant seufzte tief und ärgerlich.
    »Gerade das ist mir nicht möglich. Ich könnte den Informationsdienst beauftragen, das wäre natürlich ganz einfach aber das kann ich nicht wagen, Beresford. Die unzuverlässigen Gesellen sitzen ja eben im Informationsdienst. Die leiseste Andeutung, dass ich ein Auge aufs Sans Souci habe – und die ganze Organisation ist gewarnt. Deshalb brauche ich gerade Sie, Sie als Außenseiter. Sie müssen im Verborgenen arbeiten, ohne jede Hilfe von unserer Seite. Das ist die einzige Möglichkeit. Über eine einzige Person konnte ich ohne Weiteres Erkundigungen einziehen.«
    »Und zwar?«
    »Über Carl von Deinim. Das war ganz einfach, hatte mit dem Sans Souci gar nichts zu tun. Er wird sowieso von der zuständigen Stelle als feindlicher Ausländer überwacht.«
    »Und was haben Sie erfahren?«, fragte Tommy neugierig.
    Grant lächelte.
    »Natürlich ist er genau das, was er angibt. Sein Vater starb im Konzentrationslager. Die älteren Brüder sind in Lagern. Seine Mutter starb letztes Jahr vor Kummer. Er ist einen Monat vor Kriegsausbruch nach England geflohen. Deinim hat gebeten, etwas Nützliches für das Land tun zu dürfen.
    Er ist jetzt in einem chemischen Forschungslaboratorium tätig. Sehr tüchtiger Arbeiter, hat sich auf dem Gebiet des Gasschutzes und der Seuchenbekämpfung ausgezeichnet.«
    »Dann wäre also nichts gegen ihn einzuwenden?«, fragte Tommy.
    »Das ist noch nicht sicher. Wir wissen ja, wie gründlich die Deutschen sind. Sollte von Deinim wirklich ein Agent sein, so darf er keine Verdachtsgründe liefern. Seine Personalien müssen peinlich genau stimmen, darauf achten die Deutschen. Ich sehe zwei Möglichkeiten: Die ganze Familie von Deinim spielt ihre Rollen in diesem Spiel – unter dem Zwang des Nazi-Terrors ist nicht einmal das unwahrscheinlich –, oder er ist gar nicht Carl von Deinim, sondern spielt ihn nur.«
    »Soso«, sagte Tommy langsam und fügte unlogischerweise hinzu: »Scheint aber ein ganz besonders netter Junge zu sein.«
    Grant seufzte.
    »Die meisten sind nette Jungen. Unser Dienst ist merkwürdig genug. Wir respektieren unsere Gegenspieler, und sie respektieren uns. Sehr oft mögen wir sie sogar recht gern – auch wenn wir alles daransetzen, sie zur Strecke zu bringen.«
    Beide schwiegen. Tommy dachte bei sich, was für ein Irrsinn der Krieg doch sei. Grants Stimme unterbrach seine Grübelei.
    »Aber die andern… für die haben wir weder Respekt noch Zuneigung: nämlich für die Verräter in unseren eigenen Reihen, für die Männer, die das eigene Land preisgeben und sich in den Dienst des fremden Eroberers stellen.«
    »Gibt es denn wirklich solche Schufte?«, fragte Tommy. ungläubig.
    »Und ob es sie gibt! Überall stecken sie. Im Geheimdienst. An der Front. Auf den Parlamentsbänken. Sogar in den Ministerien an oberster Stelle. Die müssen wir erwischen, und wir werden sie auch erwischen. Aber rasch müssen wir zupacken. Denn wenn wir nicht schnell genug sind, werden sie Entsetzliches anrichten.«
    »Aber wir werden schnell genug sein«, meinte Tommy zuversichtlich.
    »Warum glauben Sie das?«, fragte Grant.
    »Sie sagen ja selbst, wir müssen sie kriegen«, antwortete Tommy.
    Der Angler drehte sich zum ersten Mal um und sah seinem Untergebenen lange voll ins Gesicht. Der Mann gefiel ihm besser denn je; seine feste, willensstarke Kinnlinie ließ Gutes ahnen.
    »Sie sind der Richtige«, sagte er ruhig. »Wie

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