Rotkäppchen und der böse Wolf
Damengesellschaft«, bekannte der Major.
»Unsinn«, widersprach Haydock. »Es muss nur die richtige Damengesellschaft sein. Nicht diese alten Pensionskatzen.«
»Sie vergessen Miss Perenna«, wandte Bletchley ein.
»Ach, Sheila. Ja, das ist ein reizendes Mädchen. Eine wahre Schönheit, finde ich.«
»Ich bin ein bisschen in Sorge um sie«, sagte Bletchley.
»Was wollen Sie damit sagen? – Trinken Sie einen Schluck, Meadowes? Und was ist mit Ihnen, Major?«
Die Getränke wurden bestellt, und die Herren machten es sich auf der Veranda vor dem Clubhaus bequem. Haydock wiederholte seine Frage.
»Dieser Deutsche«, sagte Bletchley ziemlich heftig, »sie kümmert sich zu viel um ihn.«
»Verschossen in ihn, meinen Sie? Verflucht! Natürlich, in seiner Art ist er ein hübscher Bengel. Aber das gefällt mir nicht, Bletchley, das gefällt mir gar nicht. Man kann sich doch nicht mit dem Feind einlassen. Schlimm – schlimm. Wo haben diese Mädchen nur ihren Verstand? Als ob es nicht nette, junge Engländer in Hülle und Fülle gäbe.«
»Sheila ist ein merkwürdiges Geschöpf«, meinte der Major. »Sie kann plötzlich fuchsteufelswild werden, wenn man ganz ruhig mit ihr redet.«
»Spanisches Blut«, sagte Haydock. »Ihr Vater war Halbspanier, nicht wahr?«
»Weiß nicht. Der Name ist ja wohl spanisch.«
Der Commander sah auf die Uhr.
»Wollen Sie die Nachrichten hören? Dann gehen wir jetzt besser hinein.«
Das Radio brachte kaum etwas Neues; das meiste hatte schon in den Morgenblättern gestanden. Haydock lobte die letzten Unternehmungen der R.A.F. und kam dann auf seine Lieblingstheorie zu sprechen, dass nämlich die Deutschen früher oder später eine Landung in Leahampton versuchen würden – gerade weil es ein so unbedeutendes Nest war.
»Kein einziges Flakgeschütz in der Nähe. Unerhört!«
Das Thema wurde nicht weiter erörtert, denn Tommy und der Major mussten rechtzeitig zum Essen in der Pension sein. Haydock lud Tommy mit herzlichen Worten ein, ihn auf seinem kleinen Besitztum, »Schmugglernest« genannt, zu besuchen. »Wunderbarer Blick, eigener Strand und im Haus auch alles da, was nötig ist. Auf bald also, Sie zeigen ihm den Weg, Bletchley.«
Sie verabredeten sich noch für den nächsten Abend, dann trennten sie sich.
Nach dem Mittagessen ging es im Sans Souci besonders ruhig und friedlich zu. Mr Cayley zog sich zu einem kleinen Nickerchen zurück, behütet von seiner besorgten Frau. Mrs Blenkensop wurde von Miss Minton in einen Raum geschleppt, wo Liebesgaben für die Front gepackt und adressiert wurden.
Mr Meadowes schlenderte gemächlich am Wasser entlang durch Leahampton. Er kaufte sich Zigaretten, blätterte bei Smiths in der letzten Nummer des Punch, blickte dann unschlüssig um sich und stieg endlich in einen Autobus mit der Aufschrift »Alte Mole«.
Die Alte Mole befand sich am äußersten Ende der Strandpromenade, gegen Westen zu, in einer ziemlich ärmlichen Gegend. Tommy zahlte seine zwei Pence, stieg aus und bummelte langsam die Mole entlang. Der Weg war recht öde und arg mitgenommen von Wind und Wetter. Ein paar halb verrostete Automaten standen unbenutzt herum. Kinder rannten kreischend umher; am Ende des Steges saß einsam ein Mann und angelte.
Mr Meadowes stellte sich neben ihn und starrte nachdenklich ins Wasser. Nach einer Weile fragte er leise: »Schon etwas gefangen?«
Der Angler schüttelte den Kopf.
»Sie beißen nicht so leicht an.« Mr Grant zog seine Leine ein wenig ein. Dann fragte er, ohne den Kopf zu wenden: »Und Sie, Meadowes?«
»Nicht viel zu berichten bis jetzt, Sir. Ich halte gerade erst ein bisschen Umschau.«
»Gut. Also?«
Tommy setzte sich auf einen breiten Pflock, von dem aus er die ganze Mole überblicken konnte, und begann: »Stehe schon ziemlich gut mit den Leuten. Die Liste der Gäste haben Sie bekommen?« Grant nickte. »Etwas Besonderes ist vorläufig nicht zu berichten. Mit Major Bletchley habe ich mich angefreundet. Heute Früh haben wir zusammen Golf gespielt. Scheint mir der gewöhnliche Typ des verabschiedeten Offiziers. Vielleicht etwas allzu typisch. Cayley ist vermutlich ein echter Hypochonder. Allerdings auch eine sehr leichte Rolle. In den letzten Jahren war er oft in Deutschland, das hat er selbst erzählt.«
»Ein Anhaltspunkt«, bemerkte Grant lakonisch.
»Dann haben wir diesen von Deinim.«
»Ja. Ich muss Ihnen wohl nicht erst sagen, dass er mich am meisten interessiert.«
»Sie halten ihn für N.?«
Grant
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