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Rotkäppchen und der böse Wolf

Rotkäppchen und der böse Wolf

Titel: Rotkäppchen und der böse Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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fühlte sie sich in dieser gemütlichen Atmosphäre. Da waren die Kinderkleidchen, der Stoffhund, Spielzeug, das weißgestrichene Bettchen, das etwas schafsmäßige und wenig anziehende Gesicht von Mrs Sprot im Spiegel des Toilettentisches, ihr Redeschwall über die Wäscherechnung… Und es sei doch wirklich nicht entgegenkommend von Mrs Perenna, Stammgästen müsste sie doch eigentlich die Benutzung eines elektrischen Bügeleisens erlauben…
    Alles so normal, so beruhigend, so alltäglich.
    Und doch – eben jetzt – auf der Treppe…
    Nerven, schalt Tuppence sich, Albernheit!
    Waren es wirklich nur die Nerven? Jemand hatte in Mrs Perennas Schlafzimmer das Telefon benutzt. Das stand fest. Wer? Mrs O’Rourke? Seltsam, höchst seltsam. Wenn jemand den Apparat in der Halle umgehen und unerwünschte Zuhörer vermeiden wollte…
    Sehr kurzes Gespräch, dachte Tuppence, kaum ein paar Worte.
    »Alles in Ordnung. Am Vierten also, wie verabredet.«
    Das konnte gar nichts heißen – oder sehr viel.
    Am Vierten. Welches Datum war heute? Am Vierten, aber von welchem Monat?
    Es konnte jedoch ebenso gut heißen: am vierten Pfahl oder am vierten Wellenbrecher – unmöglich zu wissen.
    Vielleicht handelte es sich nur um eine ganz harmlose Verabredung am vierten Landungssteg. Vielleicht hatte die Pensionsinhaberin Mrs O’Rourke erlaubt, von ihrem Zimmer aus zu telefonieren, wenn sie wollte.
    Aber das unheimliche Gefühl von etwas Bedrohlichem… als hinge ein Unheil in der Luft. Halten Sie sich gefälligst an Tatsachen, Mrs Blenkensop, rief Tuppence sich streng zur Ordnung. Tun Sie Ihre Arbeit und damit Schluss!

5
     
    C ommander Haydock entpuppte sich als ein außerordentlich liebenswürdiger Gastgeber. Er begrüßte Mr Meadowes und Major Bletchley hocherfreut und bestand darauf, dem neuen Besucher »die ganze Bude« eingehend zu zeigen.
    »Schmugglernest« war ursprünglich der Name für ein paar Küstenwächter-Hütten gewesen, die, auf den Klippen erbaut, einen weiten Blick übers Meer gewährten. Unter den Hippen befand sich eine kleine Höhle; aber der Zugang war gefährlich, und nur ein paar tollkühne Burschen wagten zuweilen das Abenteuer.
    Später hatte ein Londoner Geschäftsmann die Hütten abreißen lassen und das Haus errichtet. Er hatte hier immer nur während der Sommermonate gewohnt.
    Mehrere Jahre hatte das Haus dann leergestanden; schließlich wurde es möbliert an Sommergäste vermietet.
    »Aber vor ein paar Jahren«, erklärte Haydock, »hat ein Mann namens Hahn das Ganze gekauft. Er war Deutscher und meiner Meinung nach ein Spion, wie er im Buche steht.«
    Tommy spitzte die Ohren. »Interessant«, sagte er und stellte sein Sherryglas hin.
    »Ein verflucht raffinierter Kerl«, sagte Haydock. »Hatte schon damals einen Überfall und eine Invasion im Kopf. Sehen Sie sich einmal die Lage gut an. Wie geschaffen zum Signalisieren übers Meer. Unten die Bucht, da kann man mit einem Motorboot landen. Ganz abseits gelegen, hat natürlichen Schutz durch die Klippe. Wenn dieser Hahn kein deutscher Agent war, lass ich mich braten!«
    »Selbstverständlich war er einer«, erklärte Bletchley.
    »Und was wurde aus ihm?«, fragte Tommy.
    »Oh, das ist eine interessante Geschichte«, erwiderte Haydock. »Hahn hat eine Menge Geld in den Besitz hier gesteckt. Zur Bucht hinunter hat er einen Weg anlegen lassen – Beton-Treppenweg, teure Sache. Auch das Haus hat er neu eingerichtet, mit Badezimmer und allem Drum und Dran. Aber wer hat die ganzen Arbeiten ausgeführt? Niemand hier vom Ort. Nein, eine Londoner Firma! So hieß es wenigstens. Außerdem waren unter den Arbeitern viele Ausländer. Ein paar von ihnen sprachen kein Wort Englisch. Na, meinen Sie nicht auch, dass da etwas faul war?«
    »Allerdings ein bisschen merkwürdig«, bestätigte Tommy.
    »Ich lebte damals in der Nähe in einem Bungalow und fing an, ein Auge auf die Geschichte zu haben. Ich kam öfters vorbei und sah mir die Arbeiter an. Was soll ich Ihnen sagen – die mochten das nicht, ganz und gar nicht. Ein paar Mal haben sie mich beinahe bedroht. Hätten sie das getan, wenn alles seine Ordnung gehabt hätte?«
    Bletchley nickte beistimmend. »Sie hätten die Behörden benachrichtigen sollen«, meinte er.
    »Hab ich natürlich getan, mein lieber Freund. Aber was kam dabei heraus? Was habe ich erreicht? Nichts. Redeten höflich und rührten keinen Finger. Wir sind ja blind und taub in diesem Land. Ein neuer Krieg mit Deutschland? Kommt gar nicht infrage!

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