Rotkäppchens Rache
lassen kannst.«
»Wo stammt es her?«, fragte Schnee. »Ich habe schon von Tierfellen gehört, die so verzaubert waren, dass sie die Gestalt ihres Trägers veränderten, aber die anderen Kräfte -«
»Du kannst der Kirche dafür danken.« Roudettes Augen blitzten auf. »Die Ältesten bestanden darauf, dass jedes Kind den roten Umhang trägt.« Sie fuhr mit den Fingern über die in den Saum gestickten Runen. »Menschenzauberei war verboten, genau wie es hier der Fall ist. Die Runen sind Elfenmagie, dazu bestimmt, jedwedes magische Talent zu unterdrücken. Nachdem ich das Wolfsfell von meiner Großmutter genommen hatte, bezahlte ich eine Hexe dafür, die Runen auf meinem eigenen Umhang so zu ändern, dass die Elfenkräfte nach außen gedreht wurden. Den Umhang und das Fell zu kombinieren verlieh mir die Macht, die ich brauchte, um gegen die Elfen zu kämpfen.«
»Menschen- und Elfenmagie in einem einzigen Artefakt vereinigt!«, staunte Schnee. Talia konnte sehen, wie gern sie Roudette den Umhang weggenommen hätte, um ihn zu studieren, aber sie hielt sich zurück.
Danielle hatte sich ein Stück weit von ihnen entfernt und folgte einer kleinen braunen Eidechse. Die Eidechse verschwand in einer Ritze in den Steinen, und Danielle lachte. »Es tut mir leid, aber meine Freundinnen und ich brauchen etwas Größeres!«
»Wie lange wird es dauern, Jhukhas Fluch umzukehren und sie zurückzuverwandeln?«, fragte Talia.
»Kommt drauf an.« Schnee massierte sich die Hände, die sich von der Sonne schon rosa färbten.
Talia ging zurück an die Satteltasche in der Hoffnung, dass Naheer daran gedacht hatte, geeignete Kleidung für die Wüste einzupacken. Sie wurde nicht enttäuscht und fand schnell ein braunes Leinengewand und ein passendes Kopftuch. Ersteres warf sie Schnee zu und half ihr dann mit dem Kopftuch, indem sie beide Enden nach Kha’iida-Art hinten einsteckte, sodass es bis auf die Augen alles verdeckte.
»Es wird nicht leicht werden«, sagte Schnee. »Ich weiß nicht mal, was Jhukha war, geschweige denn welche Art von Macht er besitzen mag.«
»Sie war eine Jinniyah«, sagte Roudette. »Verführerinnen der Seelen. Selten, aber gefährlich.«
»Sie?«, wiederholte Schnee.
Roudette blickte sie erstaunt an. »Jhukha war weiblich. Das ist dir nicht aufgefallen?«
»Ich habe vorher noch nie eine gesehen.« Schnee verdrehte die Augen. »Eine Abbildung ist mir einmal untergekommen, aber es ist schwierig, die anatomischen Einzelheiten eines Wesens auszumachen, das wenig mehr ist als ein Klecks aus Dunkelheit und Rauch.«
»Wie lange?«, wiederholte Talia.
»Stunden. Vielleicht Tage.« Schnee wandte den Blick ab. »Jinniyah haben wenig eigene Macht. Es sind Sklaven, die Zauberkraft von ihren Meistern beziehen. Je größer die Zauberkraft, desto stärker die Kontrolle des Meisters.«
»Wenn ihr recht habt mit Zestan, dann bedeutet das, dass Faziya mit Deev-Magie verflucht wurde«, meinte Roudette.
»Du hast einen Priester in eine Maus verwandelt!«, sagte Talia. »Wenn du das kannst -«
»Ich könnte Faziyas Körper neu formen.« Schnee nahm Roudette den Wasserschlauch wieder ab, zog das Kopftuch nach unten und nahm noch einen Schluck. »Dann hättest du eine Frau mit dem Verstand und den Erinnerungen eines verängstigten Schakals. Lass mich mit Trittibar reden!«
Talia ging fort. Sie wusste, dass es unfair war, von Schnee zu erwarten, dass sie mit der Hand fuchtelte und ihr Faziya zurückgab, aber das spielte keine Rolle.
»Ich denke, ich habe möglicherweise etwas gefunden«, sagte Danielle, während sie einem Fuchs mit übergroßen Ohren folgte. Der Fuchs rannte in die Hügel und dann wieder zu Danielle zurück. »Er will, dass ich ihm folge.«
»Geh nur«, sagte Talia. »Nimm Schnee und Faziya mit. Ihr habt Essen und Wasser in den Satteltaschen. Sobald ihr einen Unterschlupf gefunden habt, soll Schnee tun, was in ihrer Macht steht.«
Danielle drehte sich um. »Was ist mit dir?«
Talia verschränkte die Hände. Ihre Knöchel waren weiß. »Ich habe nicht vor, hilflos in meinem eigenen Land herumzusitzen.«
»Du bist nicht hilflos«, widersprach Danielle.
Talia zeigte auf Faziya. »Ich kann nichts für sie tun; ich könnte nur zusehen und abwarten. Ich bin schlecht im Abwarten.«
»Ich verstehe«, sagte Danielle.
Der Teufel sollte sie holen, aber wahrscheinlich war das nicht einmal gelogen. Danielle war eben so.
»Was wirst du jetzt tun?«, fragte Danielle.
Talia rückte ihr Schwert zurecht.
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