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Rotkehlchen

Rotkehlchen

Titel: Rotkehlchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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»Dass er sich entscheidet, alleine mit einem Mordverdächtigen zu reden oder diesen eventuell sogar festzunehmen – das widerspricht allen geschriebenen und ungeschriebenen Regeln.«
    »Und was willst du damit sagen? Dass Tom Waaler das provoziert hat? Glaubst du, er hat Olsen dazu gebracht, seine Waffe zu ziehen, damit er Ellen rächen kann, willst du das damit sagen? Hast du deshalb da oben in der zweiten Etage immer ›laut Waaler ist dies‹ und ›laut Waaler ist das geschehen‹ gesagt, als würden wir bei der Polizei den Worten eines Kollegen nicht trauen? Während die halbe Spurensicherung zuhört! «
    Sie starrten einander an. Møller war fast genauso groß wie Harry.
    »Ich sage bloß, dass das verdammt merkwürdig ist«, sagte Harry und wendete sich ab. »Das ist alles.«
    »Das reicht, Harry! Ich weiß nicht, warum du Waaler hierher gefolgtbist, ob du einen Verdacht hattest, dass so etwas geschehen könnte, aber ich will nichts mehr davon hören. Ich will überhaupt keine Andeutung mehr von dir hören, ist das klar?«
    Harry betrachtete das gelbe Haus der Familie Olsen. Es war kleiner und hatte keine so hohe Hecke wie die anderen Häuser an der nachmittäglich ruhigen Wohnstraße. Die Hecken der anderen ließen das hässliche eternitverkleidete Haus schutzlos aussehen. Irgendwie ausgeschlossen von den Nachbarhäusern. Es roch nach angebratenem Fleisch und die entfernte metallische Stimme des Sprechers der Trabrennbahn in Bjerke kam und ging mit dem Wind.
    Harry zuckte mit den Schultern.
    »Sorry. Ich … du weißt«
    Møller legte ihm seine Hand auf die Schulter.
    »Sie war die Beste, ich weiß, Harry.«
     
    Schr ø der’s Restaurant, 2. Mai 2000
     
    65 Der alte Mann las in der Aftenposten. Er hatte sich in die Wetttipps für das Trabrennen vertieft, als er die Bedienung an seinem Tisch bemerkte.
    »Hei«, sagte sie und stellte das Halbliterglas Bier vor ihm auf den Tisch. Wie gewöhnlich gab er keine Antwort, sondern sah sie bloß an und zählte ihr das Kleingeld hin. Ihr Alter war unbestimmbar, doch er schätzte irgendetwas zwischen fünfunddreißig und vierzig. Und sie sah aus, als wäre ihr Leben ebenso hart gewesen wie das der Kundschaft, die sie bediente. Aber sie hatte ein freundliches Lächeln. Vertrug wohl einiges. Sie verschwand und er nahm den ersten Schluck Bier, während sein Blick durch das Lokal wanderte.
    Er sah auf die Uhr. Dann stand er auf, ging zum Münztelefon hinten im Lokal, warf drei Kronen ein, wählte die Nummer und wartete. Nach drei Rufzeichen wurde der Hörer abgenommen und er hörte ihre Stimme.
    »Juul.«
    »Signe?«
    »Ja.«
    Er hörte ihrer Stimme an, dass sie bereits Angst hatte und wusste,wer am Apparat war. Es war das sechste Mal, vielleicht hatte sie das Muster erkannt und wusste, dass er heute anrufen würde?
    »Hier ist Daniel«, sagte er.
    »Wer ist da? Was wollen Sie?« Ihr Atem ging rasch.
    »Sagte ich doch, hier ist Daniel. Ich will nur, dass du wiederholst, was du damals gesagt hast. Weißt du noch?«
    »Hören Sie bitte auf damit. Daniel ist tot.«
    »Bis in den Tod, Signe. Nicht bis zum Tod, sondern bis in den Tod.«
    »Ich ruf die Polizei.«
    Er legte auf. Dann zog er Hut und Mantel an und ging langsam in das Sonnenlicht hinaus. Auf dem Sankthanshaugen hatten die Pflanzen bereits die ersten Knospen getrieben. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern.
     
    Im Restaurant, 5. Mai 2000
     
    66 Rakels Lachen durchdrang das gleichmäßige Summen der Stimmen, das Klirren der Bestecke und das Geräusch der Kellner, die durch das voll besetzte Restaurant eilten.
    »… ich hatte fast Angst, als ich sah, dass ich eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hatte«, sagte Harry. »Du weißt, dieses kleine blinkende Auge. Und dann deine Kommandostimme in meinem Wohnzimmer.«
    Er versuchte, tiefer zu sprechen:
    »Hier ist Rakel. Essen, Freitagabend um acht. Denk an den Anzug und das Portemonnaie! Du hast Helge zu Tode erschreckt. Ich musste ihm zwei Hirsekolben geben, ehe er sich wieder beruhigte.«
    »So hab ich das sicher nicht gesagt!«, protestierte sie zwischen zwei Lachern.
    »Aber so ähnlich.«
    »Nein! Und außerdem ist das deine Schuld, bei dem Text, den du auf dem Anrufbeantworter hast.«
    Auch sie versuchte ihre Stimme zu verstellen: »Hole. Hinterlassen Sie mir eine Nachricht. Das ist einfach so, so … «
    »Gefühllos?«
    »Genau!«
    Es war ein perfektes Essen, ein perfekter Abend, und jetzt ist die Zeit gekommen, alles kaputtzumachen, dachte

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